on on on
Die Pilotanlage zur Herstellung von Bioethanol aus Altbackwaren in Friedrichshafen.
© Müller Brennereianlagen/Lukas Müller
Branche aktuell

Bioethanol aus der Bäckerei

Angegliedert an die Bäckerei Webers Backstube in Friedrichshafen wurde am 23. Februar 2024 die erste Brotbrennerei in Deutschland in Betrieb genommen. Durch das zusammen mit der Universität Hohenheim durchgeführte Pilotprojekt werden Altbackwaren zu Bioethanol.

Die Weiterverwendung von Retouren aus der Bäckerei ist ein Dauerthema, wenn es um nachhaltiges Wirtschaften und Kosteneinsparungen geht. Dabei werden unterschiedliche Wege beschritten. Retouren werden als Tierfutter, Hackschnitzel oder in Biogasanlagen weiterverwendet. „Retouren stellen jedoch kein einheitliches Ausgangsmaterial dar. Das verträgt sich beispielsweise nicht mit den strengen Fütterungsplänen in der Schweinemast“, erklärt Hannes Weber, Geschäftsführer von Webers Backstube. „Daher sind diese Recyclingmethoden mit aufwendiger Sortierung von Hand, langen Transportwegen und somit zusätzlichen Kosten verbunden.“

Viele Bäckereibetriebe müssen ihre Altbackwaren deshalb als Abfall entsorgen. Allein in Webers Backstube fallen so jährlich rund 15.000 Euro Entsorgungskosten an. Webers Idee: Warum nicht aus dem Abfall Bioethanol machen? Geschätzte 162 Mio. Liter könnten in Zukunft jährlich aus den Altbackwaren in Deutschland entstehen – ein Weg der Kraftstoffherstellung, der nicht mehr wie die Herstellung aus Mais, Weizen oder Zuckerrohr mit der Produktion von Lebensmitteln konkurriert.

 

Vom Brot zum Alkohol

Die Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim klärte zunächst eine grundsätzliche Frage: Kann Brot überhaupt vergoren werden? Denn für Produktion von Bioethanol braucht es einen alkoholhaltigen Ansatz. Für diese sogenannte Maische wird Getreide mit Wasser, Hefe und Enzymen versetzt. „Brot enthält erhebliche Mengen an Stärke. Sie wird von speziellen Enzymen leicht in Zuckermoleküle zerlegt, die die Hefe dann in Alkohol umwandelt“, erklärt Dr. Daniel Einfalt von der Forschungs- und Lehrbrennerei.

Der Destillationsrückstand, die Schlempe, wird aktuell in Biogasanlagen zur Energieerzeugung genutzt. Rückstände davon werden als Dünger verwendet. Langfristig könnte die Schlempe auch als Tierfutter dienen.

 

Energieoptimierung dank weiterer Partner

Um die Idee der Brotbrennerei in die Praxis umzusetzen, kamen weitere Projektpartner ins Spiel: Das ttz Bremerhaven erarbeitete ein eigenes Energiekonzept. So wird die Wärme für den Prozess primär über Strom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Bäckerei bereitgestellt. Innerhalb des Prozesses wird möglichst viel Wärme zurückgewonnen, so zum Beispiel aus der Schlempe oder aus dem Kühlwasser der Brennerei. Die Firma Müller Brennereianlagen schnitt die Apparate- und Brennereitechnik individuell auf das Projekt zu und brachte wichtige Erfahrungen aus der Praxis mit ein.

 

Nachahmung erwünscht

Noch ist die Brotbrennerei in Friedrichshafen ein Pilotprojekt, das aber möglichst viel Nachahmung finden soll. Dazu erarbeiten die Projektbeteiligten Handlungsempfehlungen, die sie als Beratungs- und Entwicklungsleistungen für künftige Betreiber solcher Produktionsanlagen anbieten wollen. Hannes Weber schätzt, dass sich solche Anlagen für mittlere Betriebe mit rund fünf Mio. Euro Jahresumsatz rentieren.

Aktuell arbeitet die Brotbrennerei in Friedrichshafen mit ihrem 2.000 Liter fassenden Maische-Behälter kostendeckend, auch wenn die Markt-Preise für Bioethanol derzeit niedrig sind. Höhere Erlöse könnte die Destillation von Altbackwaren erbringen, wenn daraus aromatische Spirituosen für den menschlichen Genuss entstehen, was erprobt werden soll, sobald es die gesetzlichen Vorgaben zulassen. Dann könnten schmackhafte „Brotbrände“ das Warenangebot der Bäckereibetriebe bereichern.

EnergieForschungNachhaltigkeit

Marktplatz Digital

Das könnte Sie auch interessieren