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Arbeitnehmer haben ein Recht auf Nichterreichbarkeit.
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Titel E-Paper 10-24
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SMS vom Chef ignorieren

Angestellte müssen in der Freizeit keine SMS vom Arbeitgeber lesen – das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein jetzt im Kern entschieden.

Freizeit ist Freizeit – und wenn der Arbeitgeber noch so viele Kurznachrichten aufs Handy schickt. Darauf verweist der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf ein nun bekanntgegebenes Urteil des LAG Schleswig-Holstein. In dem konkreten Fall hatte ein angestellter Notfallsanitäter gegen seinen Arbeitgeber geklagt, der in seiner Freizeit eine E-Mail und eine SMS seines Arbeitgebers über die Änderung des Dienstplans nicht zur Kenntnis genommen hatte und dem deswegen unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst vorgeworfen sowie eine Abmahnung erteilt wurde.

Recht auf Unerreichbarkeit

Das sah das LAG Schleswig-Holstein anders, erläutert Klarmann. Mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters übe der Arbeitgeber diesem gegenüber sein Direktionsrecht aus. Diese Änderung muss dem Mitarbeiter zugehen, da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handelt. Ein Mitarbeiter sei nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er sei auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu. In seiner Freizeit stehe dem Angestellten ein Recht auf Unerreichbarkeit zu. Freizeit zeichne sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehme in diesem Zeitraum den Arbeitgebern nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht, urteilte das Gericht.

 

SMS-Lesen ist Arbeitszeit

Der Einschätzung, dass das Lesen einer SMS zur Arbeitszeit des Klägers zu rechnen ist, steht der zeitlich minimale Aufwand, der mit dem Aufrufen und Lesen einer SMS verbunden ist, nicht entgegen. Arbeit werde nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt. Das Recht auf Nichterreichbarkeit diene neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers durch Gewährleistung ausreichender Ruhezeiten auch dem Persönlichkeitsschutz. Es ist also auch dann zu beachten, wenn – wie hier – die Ruhezeit durch die Arbeitsaufnahme nicht unterbrochen wird, weil diese zum Zeitpunkt der Dienstplanänderung bereits abgelaufen war.

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