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Manuela Lohse führt die Geschäfte der Landesinnungsverbände Saxonia und Thüringen. (Foto: LIV Saxonia)
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Branche aktuell

„Enorme psychologische Belastung“

So heterogen wie die Bäckereien in Sachsen und Thüringen mit ihren Konzepten aufgestellt sind, so heterogen sind die derzeitigen Auswirkungen der Corona-Krise. Manuela Lohse, Geschäftsführerin der Landesinnungsverbände Saxonia und Thüringen, berichtet über die dringlichsten Anliegen.

„Einigen geht es besser als vor der Krise, die Mehrheit hat aber mit den Auswirkungen zu kämpfen, wobei wir optimistisch sind und hoffen, dass es keine coronabedingten Insolvenzen geben wird“, erläutert Manuela Lohse, die u.a. mit den „Bäckerbriefen“ eine intensive Kommunikation mit den Mitgliedern pflegt. Basis für die aktuellen Einschätzungen bildet auch eine kürzlich durchgeführte Umfrage im Verbandsgebiet Sachsen.
Wie stellt sich die aktuelle Lage Ihrer Mitglieder dar: betriebswirtschaftlich, aber auch psychologisch?
Bäckereien mit einer verstärken gastronomischen Ausrichtung oder mit Liefergeschäften haben deutliche Umsatzverluste zu verzeichnen. Liegen die Bäckereicafés dazu noch in Innenstadtlagen oder großen Centern, fehlenden die kompletten Umsätze, obwohl die Mieten und Mietnebenkosten weiter zu zahlen sind. Die größten Umsatzverluste der Betriebe lagen bei 80% gegenüber dem Vorjahr. Im Durchschnitt lagen die Einbußen bei etwa 20%. Im gleichen Zeitraum gibt es aber auch Umsatzzuwächse. Diese sind eher im Format der klassischen Bäckereien und im Bäckermobilgeschäftsmodell zu finden.
Neben den Umsatzrückgängen haben die Bäckereien teilweise mit fehlendem Personal zu kämpfen. Quarantäne nach Rückkehr aus dem Urlaub oder Kontakt mit infizierten Personen, geschlossene Kitas und Schulen sind Gründe dafür. Diese Engpässe konnten aber in den Bäckereien in Sachsen und Thüringen durch den zurückgehenden Bedarf an Konditoreiwaren, dem Wegfall der Liefergeschäfte und der Schließung der Bäckergastronomie gut ausgeglichen werden. Unternehmer, die unter fehlenden Umsätzen und damit unter Liquiditätsproblemen leiden und auch Unternehmer, die mit fehlendem Personal zu kämpfen haben, wirken deutlich gestresster. Dazu kommen zum Teil noch überzogene Forderungen der Mitarbeiter regionaler Ordnungsämter. Bei unseren Beratungen wird spürbar: Hier steigt die psychologische Belastung enorm.
Staatliche Hilfsmaßnahmen sind angelaufen, decken aber dem Vernehmen nach nicht alle dringenden Bedürfnisse ab. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um die Branche der Handwerksbäcker zu stabilisieren?
Zuschüsse des Bundes werden ausschließlich kleinen Unternehmen gewährt. Viele Bäckereien haben mehr als zehn Mitarbeiter – sie können in Sachsen lediglich Kredite erhalten. Es bestehen große Unsicherheiten, ob diese zurückgezahlt werden können. Große Unternehmen mit beispielsweise mehr als 100 Mitarbeitern sind vom Förderprogramm „Sachsen hilft sofort“ ausgeschlossen. Andere Bundesländer geben auch größeren Bäckereien Zuschüsse. Hier ist eine Gleichbehandlung dringend erforderlich. Roland Ermer – unser sächsischer Landesobermeister – hat das beim zuständigen Wirtschaftsminister angemahnt. Das SPD-geführte Haus sieht aber leider keine Notwendigkeit und bleibt beim eingeschlagenen Kurs. Die Bäckermeister sind empört über diese Wahrnehmung von Handwerk und Mittelstand. Aber auch hier bleibt der Verband ständig, formell als auch informell am Thema und versucht, ein Umdenken zu erreichen. Für Sachsen wäre es zielführend, wenn entsprechende Bundesprogramme aufgelegt würden. Die Bäckereien mittlerer Größe dürfen in der Unterstützung nicht vergessen werden.
Was erwarten Sie für die kommenden Wochen? Wie kann in den Betrieben eine schrittweise Rückkehr zur Normalität vonstatten gehen?
Gerade erfolgt die Öffnung der Bäckereicafés. Hier sollten die Abstandsregeln regional sukzessive überprüft und angepasst werden können. Mit der Öffnung von Kitas und Schulen werden personelle Schwierigkeiten verringert. Die Öffnung von Gaststätten, Hotels, Pensionen wird das Liefergeschäft wiederbeleben. Um die Lieferungen in die vorherige Größe zu entwickeln, ist eine Öffnung des Tourismus unumgänglich. Die befristete Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen wird den Bäckereien mit höherem Gastronomieanteil helfen. Eine Senkung über einen mittelfristigen Zeitraum und die Inkludierung der Getränke sind wünschenswert. Fristen, wie die Einführung der TSE zum 30.09.2020 sind angepasst zu verlängern.

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