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Lutz Koscielsky (Mitte) setzt in seiner Bäckergastronomie auf Einkaufserlebnisse. (Foto: Peter Salden)
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Branche aktuell

„Corona bringt uns nicht vom Weg ab“

Die Branche klagt in Corona-Zeiten über den Umsatzeinbruch vor allem im Restaurant- und Snackbereich. Gegen den aktuellen Trend plant die Bäckerei Koscielsky aus Treffurt für Oktober 2020 die Eröffnung einer weiteren Filiale mit großzügigem Restaurant- und Gastronomiebereich in Eisenach. Wie passt das für Lutz Koscielsky, zugleich Landesinnungsmeister des LIV des Thüringer Bäckerhandwerks, zusammen?

Die Branche stöhnt unter gravierenden Umsatzeinbußen vor allem in der Bäckergastronomie, und Sie eröffnen in diesem Herbst einen neuen Gastronomiestandort in der Innenstadt von Eisenach. Mit Verlaub – sind Sie närrisch?
Sie haben Recht, aber die Koscielsky & Koscielsky GmbH ist schon lange keine „normale“ Bäckerei mehr. Und die Überlegungen zu einer Filiale im künftigen „Tor zur Stadt“ gibt es ja nicht erst seit Corona. Für 25 Mio. Euro entsteht zwischen dem Hauptbahnhof und der Eisenacher City auf einer vormaligen Brache ein Fachmarktzentrum mit 10.000 qm Verkaufsfläche, Parkhaus, Hotel und Tagungszentrum – da wollen wir dabei sein. Unser Anliegen ist es schon seit Jahren, den Kunden nicht nur Brot, Brötchen und Kuchen an unseren Verkaufstresen anzubieten, sondern den Einkauf zur einem einzigartigen und unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen, der bei einer Tasse Kasse oder einem guten Essen in unserer Gastronomie ausklingt. Das kommt sehr gut und immer besser an, und viele Familien oder Vereine verabreden sich inzwischen sogar zum Treffen oder gar zu Feiern bei Koscielsky – künftig eben auch mitten in der City.
Nur nicht während der Corona-Pandemie…
Das ist richtig. Von Anfang März bis Mitte Mai hatten wir durch die Schließung unseres Gastronomiebereichs ein Umsatzminus von 43% zu verkraften. Das Snackangebot zum Mitnehmen musste extrem gestrafft werden, denn auch der Kunde war sozusagen im Krisenmodus: Brot, Brötchen und einfacher Kuchen wurden verstärkt nachgefragt, um die Familien zu versorgen; Sahneartikel, Torten u.a. überhaupt nicht. Ich hätte niemals gedacht, dass die Kunden beispielsweise in unsere Filiale am Eisenacher OBI-Markt nur deshalb kommen würden, um diese Grundnahrungsmittel zu kaufen. Unsere inzwischen 15 Köche bzw. Mitarbeiter in der Gastronomie waren bzw. sind in Kurzarbeit. Das Kurzarbeitergeld wird ja zum Glück bis zu ein Jahr lang gezahlt, sodass wir keinem Mitarbeiter kündigen mussten, weil wir auf sie ja auch in Zukunft setzen. Das bedeutet, dass uns auch COVID-19 langfristig nicht von unserem ureigenen Weg abbringen kann, unseren Kunden ein besonderes Einkaufs- und Gastronomieerlebnis zu bieten.
Inzwischen normalisiert sich das Einkaufsverhalten der Kunden wieder?
Sehr langsam bei noch recht bescheidenen Kundenfrequenzen in unseren acht Filialen, von denen vier über einen Gastronomiebereich verfügen. Deren Umsatz definiert sich nun mal über die Zahl der Stühle – wenn in der gegenwärtigen Lockerungsphase nur jeder Zweite besetzt werden darf, sind wir von „normalen“ Umsätzen ein Stück weit entfernt; ganz abgesehen davon, dass die eingetretenen Einbußen nicht wieder aufgeholt werden können. Zudem ist es kaum vorstellbar, den Gästen ein tolles Erlebnis zu bieten, wenn er zum Einkauf oder zum Mittagstisch bei uns mit einer Mund-Nase-Bedeckung kommen muss – das passt nicht zusammen. Deshalb sind wir dankbar, das Kurzarbeitergeld nutzen zu können, und legen künftig noch größeren Wert auf unser Kostenmanagement. So macht es keinen Sinn mehr, wenn wir im Vorkassenbereich von Supermärkten bis zu deren Ladenschluss unser breites Sortiment vorhalten müssen – hier müssen unsere Öffnungszeiten optimiert werden. Jenen Backbetrieben, die sich zukunftsorientiert aufgestellt und an den Wünschen der Kunden von morgen orientiert haben, macht die Pandemie derzeit am meisten zu schaffen. „Normale“ Bäckereien im herkömmlichen Sinn hingegen, die sich ehedem auf ein Grundsortiment von Brot, Brötchen und Kuchen beschränken, werden die Corona-Krise wohl mit den geringsten Einbußen überstehen – aber das ist nur eine Momentaufnahme.
Dann geht es nach Überwindung der Pandemie auch bei Koscielsky wieder mit Volldampf voraus?
Nein, das wäre ein Trugschluss, denn nichts ist dann mehr, wie es vor Corona war. Wir müssen uns von dem Motto „Schneller, höher, weiter“ wohl verabschieden und die Geschäftsbedingungen realistisch(er) einschätzen. Wir werden uns an Corona gewöhnen und mit diesem Virus leben müssen. In und um Eisenach gehen derzeit Hunderte Industriearbeitsplätze nicht nur in der Automobilbranche und bei deren Zulieferern verloren, zuvor hatten wir nahezu Vollbeschäftigung. Doch der arbeitslose Kunde ist ein schlechter Käufer, weshalb wir jene Umsatzzahlen vor der Corona-Krise so schnell nicht wieder erreichen werden. Vielmehr gilt es, den Markt genau zu beobachten und jeden Schritt wohl zu überlegen, mit dem wir auf die aktuellen Entwicklungen reagieren oder ihnen entgegenwirken wollen – das sind wir auch unseren inzwischen über 100 Mitarbeitern und deren Familien schuldig.
Wie wird sich die Bäckerei Koscielsky künftig am Markt positionieren?
Kurzfristiges Ziel wird es sein, unseren neuen Standort im „Tor zur Stadt“ gut in unser Unternehmen zu integrieren und mit ihm gut am Markt zu bestehen. Wir wollen und können nicht auf „Teufel komm raus“ expandieren. Deshalb bin ich im Nachhinein sehr froh, dass wir unsere ursprüngliche Backstube in Treffurt zum wiederholten Male erweitert und mit modernster Technik ausgestattet haben, in der insgesamt zwei Dutzend Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb unsere Backwaren herstellen. Der zwischenzeitlich geplante Bäckereineubau an der Autobahn bei Eisenach ist derzeit kein Thema mehr und hätte uns bei erfolgter Realisierung in der Krise wohl noch größere Probleme beschert. Ich bin sehr stolz darauf, dass mein Sohn Robin als geschäftsführender Gesellschafter all‘ dies organisiert und meistert, er ist sozusagen das Hirn unserer Firma – und natürlich auf unsere Mitarbeiter. Sie haben in den vergangenen Monaten zusammengestanden und trotz aller Widrigkeiten zur Stange gehalten, was Ausdruck für unser gutes Betriebsklima ist. Und wir als Arbeitgeber helfen ihnen, wo es geht, gut durch diese Krisenzeiten zu kommen, denn nur gemeinsam können wir auch weiterhin erfolgreich sein.

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