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Seit dem vergangenen Jahr verfügt die Croissanterie von Frieder Francke am Altstadtcafé in Torgau über einen schmucken Freisitz, der in Corona-Zeiten von den Gästen besser angenommen wird als die Sitzplätze im geschlossenen Raum. (Foto: Croissanterie Francke)
© Wie haben Sie den Corona-Lockdown für Ihr Unternehmen erlebt?
Es war schon gespenstisch, aber wir haben uns nicht in die Schmollecke gestellt, denn das Leben geht ja weiter – nur eben etwas anders als bisher. Die Menschen haben nach wie vor Brot und Brötchen gebraucht, doch kamen sie in manche Filiale nicht mehr, weil sie eben nicht zur Arbeit durften. Unser Altstadtcafé war bis Mitte Mai nur halbtags geöffnet, doch inzwischen normalisiert sich das Geschäft wieder, denn die Kunden wollen wieder ein Stück leckeren Kuchen essen und sich mit Verwandten und Freunden zum Kaffee treffen. Wir haben von Anfang an auf „schreiende“ Plakate mit solchen Aufschriften wie „Stopp!“, „Maskenpflicht!“ oder „Abstand halten!“ verzichtet, denn die Verbraucher waren schon ängstlich und verunsichert genug. Vielmehr haben wir mit kleinen und psychologisch hilfreicheren Hinweiszetteln versucht, unsere Kunden zur Einhaltung der Hygieneregeln zu ermuntern. Und das scheint gelungen zu sein, denn mein Schwager aus dem Großraum München hat uns bei einem Besuch bestätigt, dass in Sachsen sehr viel disziplinierter auf das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung und auf die Einhaltung des Mindestabstands geachtet werde als beispielsweise in Bayern. Wie stark ist Ihr Unternehmen wirtschaftlich betroffen?
Sehr kräftig, und der Schock war auch deshalb so groß, weil wir den Umsatz im ersten Quartal um 6% steigern konnten. Von unseren sieben Fachgeschäften mussten wir dann von jetzt auf sofort neben dem Altstadtcafé eine Filiale ganz schließen, weil es schlichtweg an den Kunden mangelte, die zu Hause bleiben mussten. Ansonsten ging der Umsatz außer bei Brot und Brötchen deutlich zurück – ich rechne mit Einbußen im mittleren fünfstelligen Bereich, die in der zweiten Jahreshälfte auch nicht mehr aufgeholt werden können. Inzwischen nimmt das Geschäft auch im Café- und Imbissbereich wieder Fahrt auf, das Vor-Corona-Niveau haben wir aber noch nicht erreicht. Auch, weil wir die Sitzkapazitäten zur Einhaltung des Mindestabstandes um ein Fünftel reduziert haben. Aber auch hier stehen keine Verbotsschilder, sondern nur Reservierungsschilder mit einem kleinen Augenzwinkern: „Hier sitzt Corona“. Klar im Vorteil sind jene Bäckereien, die über einen Freisitz verfügen. Dort nehmen die Gäste lieber Platz als im geschlossenen Raum, wenn sie sich nach den zurückliegenden Wochen mal wieder etwas Gutes gönnen möchten. Unser zusätzlicher Freisitz mit vier Tischen und zwölf Sitzplätzen, den wir am Altstadtcafé im vergangenen Jahr eröffnet haben, wird sehr gut angenommen. Was bedeutete der Lockdown für Ihre Mitarbeiter…?
Im April haben wir alle 39 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt – nicht zeitgleich, sondern versetzt, sodass jeder ein wenig betroffen war und die finanziellen Einbußen nicht nur einige wenige Angestellte besonders hart getroffen haben. Ich denke, wir konnten das auf diese Art und Weise sozial ausgewogen gestalten, und auch deshalb hat uns Corona als Team enorm zusammengeschweißt. Die Solidarität und gegenseitige Rücksichtnahme untereinander waren groß und der Chef hat einmal mehr und gerade in Krisenzeiten erkannt, wie wertvoll gut qualifizierte Fachkräfte für eine Handwerksbäckerei sind. Aber ohne das Kurzarbeitergeld hätten wir diese Zeit wohl kaum überstanden. …und für Ihren Betrieb?
Das Umsatzplus vom Jahresbeginn ist längst weg, die betrieblichen Reserven sind aufgebraucht wie auch das Eigenkapital, das wir in den vergangenen Jahren erarbeitet haben. Doch anders als beispielsweise in Berlin gab es in Sachsen für Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten keine staatlichen Zuschüsse. Wirtschaftsminister Martin Dulig behauptete sogar, sie wären weder zielführend noch nachhaltig. Das hat nicht nur unsere Branche schwer enttäuscht, denn gerade die mittelständischen Unternehmen haben doch in den vergangenen drei Jahrzehnten mit ihren Steuern erst dafür gesorgt, dass der Freistaat überhaupt Zuschüsse ausreichen konnte. Uns wurden zum Dank dafür und als etwas Unterstützung lediglich zinsfreie Kredite angeboten, die mir aber als Bäckermeister nicht helfen, wenn die alten Schulden noch gar nicht bezahlt sind. Ich hätte die letzte Rate für solch einen neuen Kredit im Alter von 68 Jahren überweisen müssen – nein danke. Und auch die Mehrwertsteuersenkung ist für mich nur eine Farce, weil sie uns zusätzlich hohe bürokratische Hürden in den Weg stellt, die für mich weder nachhaltig noch zielführend sind. Unsere Mitarbeiter kommunizieren dem Kunden gegenüber, dass wir unsere Preise beibehalten und die Einsparungen unseren Mitarbeitern als steuerfreie Corona-Prämie auszahlen werden – und dafür haben wir weitgehende Zustimmung erhalten. Inwieweit hat Corona die künftige Ausrichtung Ihres Unternehmens beeinflusst?
Als Unternehmer kommt man gerade in Krisenzeiten ins Grübeln: Wie geht es weiter? Wie kann ich einer eventuellen zweiten Welle begegnen? Welche Maßnahmen sind geeignet, den Betrieb stabiler zu machen – für die Mitarbeiter und für mich? Sollten Veränderungen im Angebot vorgenommen werden? Die Stärke unseres Bäckerhandwerks ist doch gerade unser großes Grundsortiment, das unter dem zunehmenden Fachkräftemangel so dem Kunden künftig kaum noch angeboten werden kann. Die Vielfalt wird ja schon dadurch eingeschränkt, wenn die Streuselschnecke mit Rhabarber, Pflaumen oder Kirschen gefüllt wird – eigentlich ist es ja dasselbe Produkt. Es geht also um eine effektivere Arbeit in der Backstube und um die Vereinheitlichung von Produktionsabläufen. Ich gestehe es – ich habe mir jetzt erstmals einen Katalog über Tiefkühlkuchen schicken lassen: ganz einfach, um einmal die Lage zu sondieren, denn wir müssen die Gegebenheiten neu überdenken. Für die Herstellung bzw. Fertigstellung derartiger Erzeugnisse lassen sich auch angelernte Kräfte einsetzen. Mehr noch: Wir leisten uns den Luxus, dass unser gut qualifiziertes Fachpersonal die Kunden an der Ladentheke kostenlos berät – den ganzen Tag über und verbunden mit erheblichen Mehrkosten. In der Notapotheke am Wochenende wird dafür längst eine Zusatzgebühr genommen. Sollten wir Handwerksbäcker derartige Beratungen künftig nur noch in einer bestimmten Kernzeit anbieten und davor bzw. danach übernehmen Brot- und Brötchenautomaten den Verkauf, was vermutlich sehr effektiv wäre? Ich habe dafür und vieles andere noch keine Lösungen und werde sie hoffentlich auch nicht mehr in der Praxis erleben, aber es treibt mich schon um, wie in der Zukunft eine Handwerksbäckerei überhaupt noch aussehen und damit im Markt bestehen kann. Gibt es auch Überlegungen, die kurzfristiger greifen könnten?
Auf jeden Fall! Unsere Kunden können bereits jetzt in Echtzeit in unserem Onlineshop einkaufen, die Artikel sofort am Rechner oder am Handy bezahlen und brauchen ihre Backwaren nach der Arbeit bzw. auf dem Heimweg in ihrer Wunschfiliale nur noch abholen, wo sie bereits fertig verpackt bereitstehen. Überhaupt hat sich das Zahlungsverhalten vieler – auch älterer – Kunden während der Corona-Pandemie verändert. Sie haben während der Krise das bargeldlose Zahlen beispielsweise mit der Girokarte ihres Geldinstituts ausprobiert und festgestellt: das ist doch gar nicht so schwer und funktioniert tadellos. Sehr gut angenommen wird auch unsere eigene Prepaid-Karte, auf die die Kunden Geld einzahlen können und die ihnen bei einem bequemen bargeldlosen Einkauf in allen Filialen bis zu 5% Nachlass gewährt. Nunmehr werden wir in allen Filialen zusätzlich auch die Bezahlung per Kreditkarte – trotz der damit verbundenen höheren Kosten – ermöglichen und erhoffen uns damit, auf diesem Weg auch wieder jüngere Kunden (zurück-) zu gewinnen.
Allgemein

„Gespenstischer“ Situation entgegenwirken

Bäckermeister Frieder Francke, stellvertretender LOM des LIV Saxonia, Inhaber der „Croissanterie – Ihr Torgauer Bäcker“ und ARV der BÄKO Mitteldeutschland, berichtet über (seine) Wege aus der Krise.

Wie haben Sie den Corona-Lockdown für Ihr Unternehmen erlebt?
Es war schon gespenstisch, aber wir haben uns nicht in die Schmollecke gestellt, denn das Leben geht ja weiter – nur eben etwas anders als bisher. Die Menschen haben nach wie vor Brot und Brötchen gebraucht, doch kamen sie in manche Filiale nicht mehr, weil sie eben nicht zur Arbeit durften. Unser Altstadtcafé war bis Mitte Mai nur halbtags geöffnet, doch inzwischen normalisiert sich das Geschäft wieder, denn die Kunden wollen wieder ein Stück leckeren Kuchen essen und sich mit Verwandten und Freunden zum Kaffee treffen. Wir haben von Anfang an auf „schreiende“ Plakate mit solchen Aufschriften wie „Stopp!“, „Maskenpflicht!“ oder „Abstand halten!“ verzichtet, denn die Verbraucher waren schon ängstlich und verunsichert genug. Vielmehr haben wir mit kleinen und psychologisch hilfreicheren Hinweiszetteln versucht, unsere Kunden zur Einhaltung der Hygieneregeln zu ermuntern. Und das scheint gelungen zu sein, denn mein Schwager aus dem Großraum München hat uns bei einem Besuch bestätigt, dass in Sachsen sehr viel disziplinierter auf das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung und auf die Einhaltung des Mindestabstands geachtet werde als beispielsweise in Bayern.
Wie stark ist Ihr Unternehmen wirtschaftlich betroffen?
Sehr kräftig, und der Schock war auch deshalb so groß, weil wir den Umsatz im ersten Quartal um 6% steigern konnten. Von unseren sieben Fachgeschäften mussten wir dann von jetzt auf sofort neben dem Altstadtcafé eine Filiale ganz schließen, weil es schlichtweg an den Kunden mangelte, die zu Hause bleiben mussten. Ansonsten ging der Umsatz außer bei Brot und Brötchen deutlich zurück – ich rechne mit Einbußen im mittleren fünfstelligen Bereich, die in der zweiten Jahreshälfte auch nicht mehr aufgeholt werden können. Inzwischen nimmt das Geschäft auch im Café- und Imbissbereich wieder Fahrt auf, das Vor-Corona-Niveau haben wir aber noch nicht erreicht. Auch, weil wir die Sitzkapazitäten zur Einhaltung des Mindestabstandes um ein Fünftel reduziert haben. Aber auch hier stehen keine Verbotsschilder, sondern nur Reservierungsschilder mit einem kleinen Augenzwinkern: „Hier sitzt Corona“. Klar im Vorteil sind jene Bäckereien, die über einen Freisitz verfügen. Dort nehmen die Gäste lieber Platz als im geschlossenen Raum, wenn sie sich nach den zurückliegenden Wochen mal wieder etwas Gutes gönnen möchten. Unser zusätzlicher Freisitz mit vier Tischen und zwölf Sitzplätzen, den wir am Altstadtcafé im vergangenen Jahr eröffnet haben, wird sehr gut angenommen.
Was bedeutete der Lockdown für Ihre Mitarbeiter…?
Im April haben wir alle 39 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt – nicht zeitgleich, sondern versetzt, sodass jeder ein wenig betroffen war und die finanziellen Einbußen nicht nur einige wenige Angestellte besonders hart getroffen haben. Ich denke, wir konnten das auf diese Art und Weise sozial ausgewogen gestalten, und auch deshalb hat uns Corona als Team enorm zusammengeschweißt. Die Solidarität und gegenseitige Rücksichtnahme untereinander waren groß und der Chef hat einmal mehr und gerade in Krisenzeiten erkannt, wie wertvoll gut qualifizierte Fachkräfte für eine Handwerksbäckerei sind. Aber ohne das Kurzarbeitergeld hätten wir diese Zeit wohl kaum überstanden.
…und für Ihren Betrieb?
Das Umsatzplus vom Jahresbeginn ist längst weg, die betrieblichen Reserven sind aufgebraucht wie auch das Eigenkapital, das wir in den vergangenen Jahren erarbeitet haben. Doch anders als beispielsweise in Berlin gab es in Sachsen für Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten keine staatlichen Zuschüsse. Wirtschaftsminister Martin Dulig behauptete sogar, sie wären weder zielführend noch nachhaltig. Das hat nicht nur unsere Branche schwer enttäuscht, denn gerade die mittelständischen Unternehmen haben doch in den vergangenen drei Jahrzehnten mit ihren Steuern erst dafür gesorgt, dass der Freistaat überhaupt Zuschüsse ausreichen konnte. Uns wurden zum Dank dafür und als etwas Unterstützung lediglich zinsfreie Kredite angeboten, die mir aber als Bäckermeister nicht helfen, wenn die alten Schulden noch gar nicht bezahlt sind. Ich hätte die letzte Rate für solch einen neuen Kredit im Alter von 68 Jahren überweisen müssen – nein danke. Und auch die Mehrwertsteuersenkung ist für mich nur eine Farce, weil sie uns zusätzlich hohe bürokratische Hürden in den Weg stellt, die für mich weder nachhaltig noch zielführend sind. Unsere Mitarbeiter kommunizieren dem Kunden gegenüber, dass wir unsere Preise beibehalten und die Einsparungen unseren Mitarbeitern als steuerfreie Corona-Prämie auszahlen werden – und dafür haben wir weitgehende Zustimmung erhalten.
Inwieweit hat Corona die künftige Ausrichtung Ihres Unternehmens beeinflusst?
Als Unternehmer kommt man gerade in Krisenzeiten ins Grübeln: Wie geht es weiter? Wie kann ich einer eventuellen zweiten Welle begegnen? Welche Maßnahmen sind geeignet, den Betrieb stabiler zu machen – für die Mitarbeiter und für mich? Sollten Veränderungen im Angebot vorgenommen werden? Die Stärke unseres Bäckerhandwerks ist doch gerade unser großes Grundsortiment, das unter dem zunehmenden Fachkräftemangel so dem Kunden künftig kaum noch angeboten werden kann. Die Vielfalt wird ja schon dadurch eingeschränkt, wenn die Streuselschnecke mit Rhabarber, Pflaumen oder Kirschen gefüllt wird – eigentlich ist es ja dasselbe Produkt. Es geht also um eine effektivere Arbeit in der Backstube und um die Vereinheitlichung von Produktionsabläufen. Ich gestehe es – ich habe mir jetzt erstmals einen Katalog über Tiefkühlkuchen schicken lassen: ganz einfach, um einmal die Lage zu sondieren, denn wir müssen die Gegebenheiten neu überdenken. Für die Herstellung bzw. Fertigstellung derartiger Erzeugnisse lassen sich auch angelernte Kräfte einsetzen. Mehr noch: Wir leisten uns den Luxus, dass unser gut qualifiziertes Fachpersonal die Kunden an der Ladentheke kostenlos berät – den ganzen Tag über und verbunden mit erheblichen Mehrkosten. In der Notapotheke am Wochenende wird dafür längst eine Zusatzgebühr genommen. Sollten wir Handwerksbäcker derartige Beratungen künftig nur noch in einer bestimmten Kernzeit anbieten und davor bzw. danach übernehmen Brot- und Brötchenautomaten den Verkauf, was vermutlich sehr effektiv wäre? Ich habe dafür und vieles andere noch keine Lösungen und werde sie hoffentlich auch nicht mehr in der Praxis erleben, aber es treibt mich schon um, wie in der Zukunft eine Handwerksbäckerei überhaupt noch aussehen und damit im Markt bestehen kann.
Gibt es auch Überlegungen, die kurzfristiger greifen könnten?
Auf jeden Fall! Unsere Kunden können bereits jetzt in Echtzeit in unserem Onlineshop einkaufen, die Artikel sofort am Rechner oder am Handy bezahlen und brauchen ihre Backwaren nach der Arbeit bzw. auf dem Heimweg in ihrer Wunschfiliale nur noch abholen, wo sie bereits fertig verpackt bereitstehen. Überhaupt hat sich das Zahlungsverhalten vieler – auch älterer – Kunden während der Corona-Pandemie verändert. Sie haben während der Krise das bargeldlose Zahlen beispielsweise mit der Girokarte ihres Geldinstituts ausprobiert und festgestellt: das ist doch gar nicht so schwer und funktioniert tadellos. Sehr gut angenommen wird auch unsere eigene Prepaid-Karte, auf die die Kunden Geld einzahlen können und die ihnen bei einem bequemen bargeldlosen Einkauf in allen Filialen bis zu 5% Nachlass gewährt. Nunmehr werden wir in allen Filialen zusätzlich auch die Bezahlung per Kreditkarte – trotz der damit verbundenen höheren Kosten – ermöglichen und erhoffen uns damit, auf diesem Weg auch wieder jüngere Kunden (zurück-) zu gewinnen.

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