Zum dritten Mal bot das „Tipi am Kanzleramt“ die geeignete Bühne für die zentralen Feierlichkeiten des Bäckerhandwerks zum „Tag des Deutschen Brotes“ in der Hauptstadt, die diesmal unter dem Motto „Mit allen Sinnen genießen“ stand. Und keine Frage: Bei der Ansetzung seiner Termine hat der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks ein „Händchen“: Wurde bei der 150-Jahr-Feier im November die damalige Regierungskoalition aufgekündigt, so fand der Feiertag diesmal am Tag der Bundeskanzlerwahl statt. Politische Themen standen also allemal im Raum, während sich die Politiker (mit Ausnahme der früheren Brotbotschafterin und jetzigen Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Gitta Connemann) aufgrund der anstehenden politischen Entscheidungen rar machten.
Gute Signale
Der Feierstimmung tat das keinen Abbruch, konnte der ZV doch mit einigen guten Botschaften aufwarten. Zum einen ist die Bilanz des Jahres 2024 recht vorteilhaft ausgefallen mit einem um 2% gestiegenen Gesamtumsatz bei fast gleich bleibend hoher Beschäftigtenzahl und – besonders erfreulich und bemerkenswert – einem um fast 13% gestiegenen Anzahl von Auszubildenden. Auch die Zahl der Neugründungen ist zufrieden stellend, wenngleich sie den Rückgang von 3,6% nicht aufhalten konnte. Die Zahl der Betriebe liegt damit nun bei unter 9.000. „Es ist klasse, Bäcker zu sein und wir keineswegs ein sterbendes Handwerk“, freute sich ZV-Präsident Roland Ermer in seiner Festrede
Vor allem aber begrüßt der Verband die Tatsache, dass für mehrere zentrale Forderungen zu Problemstellungen der jüngsten Jahre nun Abhilfe in Sicht ist, denn der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthält sowohl die Absichtserklärung zur Abschaffung der Bonpflicht als auch ein Entgegenkommen beim Arbeitszeitgesetz zugunsten der Bäckereien. Auch der Bürokratieabbau soll nun hohe Priorität genießen. „Das Bäckerhandwerk findet Gehör und Deutschland und Europa“, nimmt Ermer mit Genugtuung und Freude zur Kenntnis. Eine Bestätigung dafür lieferten nicht zuletzt die ausführlichen Videobotschaften, mit denen sich die scheidende Brotbotschafterin Dorothee Bär und der Luxemburger Christophe Hansen, seit Dezember 2024 neuer Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung in der Europäischen Kommission, an die versammelten Innungsmitglieder und Gäste wandten. Ermer warnte jedoch davor, Politik stets nur in Vierjahreszeiträumen zu denken; hier brauche es langfristigere Weichenstellungen und an vielen Stellen einfach „mehr Vertrauen in das Unternehmertum“. Außerdem verbat sich der ZV-Präsident Eingriffe der Politik in die Tarifautonomie.
Das Konzept „Botschafter des deutschen Brotes“ hat sich bestens bewährt und vor allem in der Politik zu einem besseren Verständnis dafür geführt, wo das Bäckerhandwerk Unterstützung braucht. Angesichts der Bundestagswahlen entschied man sich aber aktuell dafür, nicht erneut eine politische Persönlichkeit zu küren. Stattdessen ernennt das Bäckerhandwerk Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), zum neuen Brotbotschafter. In seiner Amtszeit wird Dittrich den Belangen der backenden Branche besonders Nachdruck verleihen. Damit folgt der oberste Repräsentant des deutschen Handwerks auf die CSU-Politikerin und künftige Bundesministerin Dorothee Bär, sowie auf den designierten Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil, der 2023 das Amt innehatte.
Jobmotor Bäckerhandwerk
„Der Beruf des Bäckers ist so alt wie die Zivilisation selbst und hat bis heute eine immense gesellschaftliche Bedeutung. Daher bin ich dankbar, dass die Bäcker mir das Amt des Brotbotschafters zutrauen“, sagt Jörg Dittrich über seine Rolle als Brotbotschafter. „Das Bäckerhandwerk ist ein Jobmotor für die Region: Die Handwerksbetriebe schaffen und sichern nicht nur Arbeitsplätze in den Bäckereien selbst, sondern auch bei Zulieferern wie Mühlen oder Ofenbauern. Jedes Jahr werden über 10.000 junge Menschen in den Handwerksbäckereien in Deutschland ausgebildet. Das bedeutet, dass auf diese Weise regionale Backtraditionen und Rezepturen erhalten bleiben und an die nächste Generation weitergegeben werden.“ (siehe auch Interview ab S. 76!). Gleichzeitig brach Dittrich eine Lanze für die Demokratie und forderte alle Anwesenden auf, sich dafür zu engagieren: „Unsere Gesellschaft braucht Stabilität!“ Der Koalitionsvertrag sei ein guter „Vorteig“, der aber jetzt erst zu etwas Gutem gebacken werden müsse.
ZV-Präsident Roland Ermer betont: „Wir befinden uns inmitten herausfordernder Zeiten. Die Zusammenarbeit mit dem Handwerkspräsidenten Jörg Dittrich ist ein bedeutender Schritt, um uns gemeinsam für unseren Mittelstand einzusetzen. Der Zeitpunkt vor Arbeitsbeginn der neuen Bundesregierung könnte kaum passender sein, um als Handwerk geschlossen unsere Forderungen an die Politik klar zu machen: weniger Bürokratie und Steuern, niedrigere Energiekosten, sichere Versorgung und eine Reform der sozialen Sicherungssysteme.“ Diese Probleme in die Öffentlichkeit zu tragen und das Handwerk insgesamt noch besser zu vernetzen, auch in Zusammenarbeit mit dem neuen Landwirtschaftsminister Alois Rainer, der selbst aus einem Handwerksbetrieb stammt, sei das gemeinsame Ziel. Dass das Bäckerhandwerk den gesamten Tag über ein fester Bestandteil des Lebens vieler Deutschen ist und dieses mit seinen hochwertigen Erzeugnissen bereichert, machte u.a. ein neuer Imagefilm mit Sandmalerei deutlich.
Bei köstlichen Kreationen von Brotsommeliers und guten Gesprächen klang der Festabend aus, der erneut Hunderte Teilnehmer aus dem Innungswesen, den BÄKO-Genossenschaften, den fördernden Zulieferunternehmen, aus Verbänden, Presse und Politik vereinte. Besonders das Nussbrot als „Brot des Jahres“ erhielt dabei nochmals eine große Bühne.