„Die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands und die verhaltene Stimmung im Land hinterlassen auch im Bäckerhandwerk Spuren“, beklagte Roland Ermer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV), eingangs der Delegiertentagung – und verband dies mit einer klaren Aufforderung zu mehr Konsequenz und Tempo: „Die Politik muss endlich liefern: Wir brauchen mutige Strukturreformen und gezielte Investitionen statt kosmetischer Korrekturen und halbherziger Beschlüsse.“
Aus Sicht des ZV hat sich die strategische Ausrichtung des Verbands – mit dem klaren Fokus auf politische Interessenvertretung („in Berlin, Brüssel und überall, wo wir Gehör finden“) – bewährt. Zahlreiche zentrale Forderungen des Bäckerhandwerks seien im Koalitionsvertrag aufgenommen, darunter die Reform des Arbeitszeitrechts, die Abschaffung der Bonpflicht, die Mehrwertsteuersenkung etc. „Nun ist die Bundesregierung gefordert, diese Versprechen zügig umzusetzen“, brachte es Ermer auf den Punkt. Das gelte auch im Hinblick auf den Abbau der vielfach beklagten bürokratischen Überregulierung.
Viel Aufmerksamkeit generiert
Mit der 150-Jahr-Feier im November 2024, der Internationalen Grünen Woche in Berlin im Januar, der Weltleitmesse iba in Düsseldorf im Mai und dem Tag des deutschen Brotes samt Kür des neuen Brotbotschafters standen erneut bedeutende Highlights auf der ZV-Agenda, die den deutschen Innungsbäckern viel positive Aufmerksamkeit – nicht zuletzt seitens der Politik – einbrachten.
Die Tagung bot aber nicht nur Raum zur Reflexion, sondern auch zur Weichenstellung für die kommenden Monate. Mit einem klaren Bekenntnis der Mitglieder zur Fortführung der eingeschlagenen Strategie geht der Verband gestärkt in die Zukunft: Ein bedeutender Schritt zur Stärkung der Interessenvertretung ist die geplante Intensivierung der Aktivitäten in Brüssel. „Viele für unsere Betriebe relevante Regelungen entstehen auf europäischer Ebene. Wer frühzeitig mitgestaltet, kann Fehlentwicklungen verhindern“, betont Hauptgeschäftsführer Dr. Friedemann Berg. Zu diesem Zweck will der Verband die neue Position eines Mitarbeiters für Europapolitik schaffen, auf die auch Ermer als in diesem Jahr neu gewählter Präsident des europäischen Bäcker- und Konditorenverbands (CEBP) stärker einwirken will.
Wie Berg weiter berichtete, ist die Liste der Projekte des ZV in Sachen Interessenvertretung auch im Inland „länger denn je“ – doch die Beharrlichkeit zeige Wirkung und das Engagement trage Früchte: „Die Bedeutung des Zentralverbands im politischen Berlin ist gewachsen.“ Dies sei nicht zuletzt an der steigenden Zahl von Anfragen anderer Interessenverbände ablesbar, die Allianzen einzugehen wünschen. Auch ganz konkrete Ergebnisse, wie die Handwerkerausnahme bei der Lkw-Maut, die den Betrieben massive Einsparungen beschere, seien zu verzeichnen. Man werde aber nicht locker lassen, um auch die Erfüllung weiterer Versprechen und Vereinbarungen zu beschleunigen. Im Hinblick auf den „Wachstumsbooster“ der Regierung forderte Berg alle Betriebe auf, die steuerlichen Möglichkeiten zu prüfen und nach Möglichkeit für Investitionen zu nutzen. Sorge bereitet weiter die gegenwärtig nur zur Prüfung ausgesetzte Abgabe auf „Einwegverpackungen“, z.B. für 750-g-Stollen.
Die erste Delegiertenversammlung seit der Satzungsänderung im Vorjahr (inklusive neuer Stimmgewichtung nach Beiträgen und Mitgliederzahlen) verlief harmonisch und einvernehmlich in Beschlüssen und Entlastungen sowie im Hinblick auf die Finanzplanung, die Präsidiumsmitglied Jürgen Hinkelmann vorstellte.
Breites Themenspektrum
Auch die anderen Präsidiumsmitglieder berichteten aus ihren Zuständigkeitsbereichen. So konnte z.B. Matthias Grenzer über eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit und den Erfolg von Nachwuchsförderung und Imageförderung berichten; sowohl die Kampagne „Back dir deine Zukunft“ als auch der neue Azubi-Campus (unterstützt durch die BÄKO) erfreuen sich starker Nachfrage und werden konsequent ausgebaut. Die Azubi-App kommt hervorragend an und erhält aktuell ein Update mit differenzierten Preismodellen. Updates stehen im November auch für den Bäckerfinder (Version 2.0) und die Präsenzen in den Sozialen Medien (Instagram, TikTok) an. Eine Kampagne zur unkomplizierten Mitgliedergewinnung ist in Vorbereitung.
Präsidiumsmitglied Andreas Schmitt berichtete zum wichtigen Thema Ausbildung, wo zuletzt eine steigende Zahl von jungen Menschen für das Bäckerhandwerk gewonnen werden konnte. Die Integration von Geflüchteten, die Modernisierung des Tarifvertrags zur Altersvorsorge („Bäckerrente“) und die schwierige Arbeit in den Kommissionen zur Reform der Ausbildungsverordnungen waren weitere Themen. Erfolgsmodelle wie die Wettbewerbe für die Bäckerjugend sollen auf allen Ebenen weiter gefördert und ausgebaut werden. Auch der neue Co-Leiter der Bundesakademie in Weinheim, Dominic Stumpf, stellte sich in Braunschweig den Delegierten vor.
Den Teilnehmern der Jahrestagung wurde außerdem die Möglichkeit geboten, sich in zwei Workshops zu den Themen Künstliche Intelligenz und politische Interessenvertretung zu informieren und auszutauschen. Dabei wurde deutlich: „Die Politik ist nicht der Feind, sondern sogar häufiger Partner als Gegner“ (Berg). Mit Politprofi Katrin Gielow hat der ZV Anfang 2024 eine Mitarbeiterin eingestellt, die sich genau diesem, von den Mitgliedern in Befragungen besonders erwünschten Engagement widmet, nämlich dem Monitoring des politischen Geschehens, der Kontaktpflege mit Parlamentariern und Verwaltungsbeamten, der Verfassung von Stellungnahmen und Positionspapieren sowie der damit einhergehenden Öffentlichkeitsarbeit.
Auch ein weiteres, aktuell relevantes Thema war Gegenstand der zweitägigen Tagung: Auf Einladung des ZV sprach Oberst Marco Hinze, Leiter Operationen der Heimatschutzdivision der Bundeswehr, zu den Delegierten und Gästen über die veränderte Sicherheitslage in Deutschland/Europa und ihre Folgen für die Betriebe des Bäckerhandwerks. Tenor: Staat und Individuen müssten ihre Kompetenzen deutlich steigern, um gesamtgesellschaftlich Widerstandsfähigkeit und -kraft zu entwickeln.
Wahlen und Ehrungen
Auch personell wurden auf der Delegiertenversammlung wichtige Weichen gestellt: Durch das satzungsgemäße Ausscheiden von Heinrich Traublinger jr. (Landesinnungsmeister Bayern 2019–2025) wurde ein Präsidiumsplatz frei. Präsident Ermer würdigte ihn als gleichermaßen agilen und überaus sachkundigen Vertreter mittelständischer Interessen und seinen Einsatz für das deutsche und bayerische Bäckerhandwerk, u.a. während der Corona- und der nachfolgenden Energiekrise. Von der Versammlung wurde Traublinger die Ehrenmitgliedschaft im Zentralverband verliehen.
Gleichzeitig gab es Anlass zur Gratulation an Günter Wagner, den in diesem Jahr neu gewählten bayerischen Landesinnungsmeister aufgrund seiner einstimmigen Wahl ins Präsidium. „Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit und darauf, gemeinsam die Interessen unseres Handwerks weiter kraftvoll zu vertreten“, bekräftigte Roland Ermer.
Für die langjährige Unterstützung der ZV-Arbeit erhielt Unternehmer Christof Engelke (Große Mühle Gebr. Engelke, Hasede) die Goldene Ehrennadel des Bäckerhandwerks überreicht. In seiner Laudatio würdigte ZV-Präsident Ermer ihn als Persönlichkeit, die in den vergangenen Jahren immer wieder für den Verband und das Bäckerhandwerk Türen geöffnet, Themen angestoßen und Entwicklungen begleitet hat.
Auch in diesem Jahr wurden innere Geschlossenheit und Strahlkraft des ZV nach außen untermauert durch eine hohe, vollständige Mitgliederpräsenz und zahlreiche Gäste. Sowohl die drei Ejhrenpräsidenten Hans Bolten, Peter Becker und Michael Wippler als auch die hauptamtlichen Vorstandsmitglieder der BÄKO-ZENTRALE, Stefan Strehle und Gunter Hahn, waren vor Ort. Grußworte richteten an die Versammlung Dietmar Baalk als Landesinnungsmeister des einladenden Verbands Niedersachsen/Bremen, der kürzlich neu gewählte Präsident des Verbands der Großbäckereien, Norbert Lötz, sowie der frühere niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der vielen Bäckern aufgrund seines Einsatzes für die Branche in der Energiekrise noch in guter Erinnerung ist.












