Geburtstag der Verbandsorganisation war der 12. Oktober 1874. An diesem Tag gründeten 1.200 Bäckermeister in Berlin den Zentralverband Deutscher Bäckerinnungen Germania, die Vorläuferorganisation des heutigen Zentralverbands. Ziel war es auch damals schon, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen und Interessen durch eine starke Berufsvertretung besser wahren zu können.
Zuverlässige Branchenvertretung auch in schwierigen Zeiten
Nach Jahren der Festigung der Verbandsstrukturen und wichtigen Beschlüssen wie der Gründung einer Pensionskasse und der Einkaufsgenossenschaften folgten auch im Kaiserreich bereits Regulierungen wie die Bäckereiverordnung von 1906, die wichtige Regelungen wie Hygienevorschriften beinhaltete. Während des Ersten Weltkrieges bewies das Bäckerhandwerk, wie resilient es sein konnte: Trotz wirtschaftlichen und personellen Verlusten, trotz vorgegebenen Brotpreisen und Rezepturvorschriften konnten die Bäcker sowohl die Zivilbevölkerung als auch das Heer mit Hilfe von Feldbäckereien ernähren. Nach dem Krieg organisierte der Zentralverband Hinterbliebenenzahlungen. „Während all den schwierigen Zeiten war der Verband an der Seite der Bäcker und war bemüht, die Rahmenbedingungen für die Branche zu verbessern“, resümiert Roland Ermer, Präsident des heutigen Zentralverbands .
Mit der Inflation gerieten die Betriebe an ihre Grenzen: Im November 1923 kostete das Kilo Brot 300 Mrd. Mark. Der Nationalsozialismus machte auch vor dem Bäckerhandwerk nicht Halt: Sämtliche hohen Ehrenamtsträger mussten der NSDAP angehören, der Verband wurde gleichgeschaltet und hieß fortan Reichsinnungsverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Die Betriebe hatten bereits vor Beginn des Zweiten Weltkrieges mit erheblichem Rohstoffmangel zu kämpfen, was sich zu Kriegszeiten fortsetzte. Zahlreiche Bäcker leisteten einen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung, viele wurden aber auch zur Wehrmacht eingezogen und leisteten in Bäckereikompanien Kriegsdienst. Nach dem Krieg waren mehr als die Hälfte aller Betriebe in den größeren Städten zerstört, tausende Bäckerexistenzen waren nicht mehr vorhanden oder gingen verloren. Der von den Nationalsozialisten geschaffene Reichsinnungsverband hörte mit Ende des Krieges praktisch auf zu bestehen. Es begannen die schweren Nachkriegsjahre mit erheblichen Versorgungsproblemen, doch schnell entstand der Wille einer Neuerrichtung der Verbandsorganisation: 1948 gründeten Vertreter des Berufsstandes den Zentralverband des Bäckerhandwerks, bestehend aus Mitgliedern der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen. In den 50er Jahren sank in West-Deutschland die Arbeitslosenquote, der Zentralverband konzentrierte sich verstärkt auf die Nachwuchsarbeit. Öffentlichkeitsarbeit gewann in den kommenden Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung. Die Branche musste sich vermehrt mit neuen Konsumgewohnheiten und technischem Fortschritt auseinandersetzen. Ein besonderer, glücklicher Moment war für Präsident Ermer die Maueröffnung und Wiedervereinigung: „Mit der DDR endeten auch Planwirtschaft und wirtschaftliche Beschränkungen, die den Betrieben auferlegt wurden. Innerhalb kürzester Zeit wurden im Gebiet der ehemaligen DDR Innungen und Landesinnungsverbände neu gegründet. Die ostdeutschen Kollegen wurden Teil des Zentralverbandes und leisten seitdem einen Beitrag zu einer schlagkräftigen Berufsvertretung für ganz Deutschland.“
Nah am politischen Geschehen, eng an der Bäckerbasis
2005 zog der Zentralverband nach Berlin und war so nah am politischen Geschehen. Ob Verpackungsverordnung, Salzgehalt oder Arbeitszeitgesetz, Themen gab es genug. Mit dem Tag des Deutschen Brotes führte der Zentralverband 2013 einen öffentlichkeitswirksamen Feiertag ein, der dem Bäckerhandwerk positive Aufmerksamkeit schenkt – ebenso wie die erreichte Anerkennung der Deutschen Brotkultur durch deren Aufnahme ins Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Die vergangenen Jahre waren geprägt von einer zunehmenden Regulierung und Bürokratiebelastung. Um den Mitgliedern eine moderne und starke Branchenvertretung zu bieten, begann der Zentralverband mit einer Reform seiner Verbandsstrukturen. Die Corona-Pandemie und Energiekrise machten deutlich, wie wichtig die Arbeit des Zentralverbands und die Vertretung durch einen starken Wirtschaftsverband ist: „Der Zentralverband hat in dieser Zeit sowohl als Dienstleister und Krisenmanager für die Mitgliedsbetriebe und -verbände als auch als Vertreter ihrer Interessen gegenüber Politik und Öffentlichkeit agieren müssen. Die Maßnahmen und Verbesserungen, die der Zentralverband allein in dieser Phase gemeinsam mit den Landesverbänden entwickelt, von der Politik gefordert und erreicht hat, füllen eine lange Liste. Nur mit einer starken Interessenvertretung kann es dem deutschen Bäckerhandwerk gelingen, Ziele und Interessen zu formulieren, in die Politik einzubringen und durchzusetzen“, stellt Präsident Ermer fest. Mit Blick auf die Branche ergänzt er: „Obwohl sich das Bäckerhandwerk seit Jahrzehnten in einem Strukturwandel befindet, präsentiert es sich gegenwärtig und vielleicht mehr denn je als erfolgreicher, selbstbewusster und sympathischer Berufsstand, der Grund hat, optimistisch nach vorne zu schauen. Der deutsche Bäckerverband dient damals wie heute den Mitgliedsbetrieben, setzt sich dafür ein, deren Rahmenbedingungen zu verbessern und ist auch nach 150 Jahren wechselvoller Geschichte eine Institution der Branche. Die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen machen auch vor uns nicht halt, doch ich bin stolz darauf, dass die Bäckerfamilie trotz aller Widrigkeiten seit 150 Jahren so eng beieinander steht. Gemeinsame Interessen gehören gemeinsam vertreten und dafür setzen sich Haupt- und Ehrenamt täglich aufs Neue ein.“
Das 150-jährige Jubiläum feiert der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks am 5. November. Zeitgleich wird eine digitale Chronik über die Geschichte der Verbändeorganisation erscheinen.