Wie immer gab es einen regen Austausch unter den Fachleuten aus Agrarproduktion und -handel, Getreideverarbeitung, Müllerei- und Lebensmittelwirtschaft, sowie der Getreideforschung und -züchtung. Insgesamt fanden sich ca. 100 Teilnehmer aus Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Österreich, Belgien, Spanien und der Ukraine in Detmold ein. Der Laie hätte von der Tagung den Eindruck mitnehmen können, dass es um den Weizen eher sehr schlecht steht, dabei ist er, gerade in Deutschland, „ein Erfolgsmodell“, wie Dipl. Ing. Sven Böse am Ende der Tagung im Gespräch klarstellte. Schon in seinem Auftakt-Vortrag „Immer weniger Dünger und Chemie – Was bedeutet das für die Rohstoffversorgung der Mühlen?“ erfährt man, dass sich der Weizenanbau in Deutschland seit 1965 verdoppelt hat. Dagegen ist die Düngeintensität schon „seit 20 Jahren nicht mehr“ gestiegen. „Die Zeiten ändern sich“ und selbstkritisch sagt er, dass die „Kundenbeschimpfung“ der Vergangenheit kein Weg zur Innovation sein kann. Heute gelte als (gesellschaftliche) Einstellung eher: „Zuerst kommt die Biene, dann kommt der Mensch und dann kommt das Geschäft“ – und der „Zukunftstrend“ heißt „Vielfalt“, doch „die Züchter sind nicht automatisch glücklich mit Sortenvielfalt.“
Der richtige Weg zur Innovation
Doch was ist der richtige Weg zur Innovation? Im Endeffekt liegt in dieser Frage die Krux, ob bei dieser Tagung, der Industrie, der Landwirtschaft oder dem Handwerk. Wenn bisher der Treiber der Innovation in erster Linie die Eskalation der Produktionsmengen war, dann steht die Getreideforschung in der Tat vor einem Paradigmenwechsel. In den Vorträgen von Dr. Lorenz Hartl, Dr. Friedrich Laidig und Dr. Sebastian Michel wurden die Auswirkungen verringerter Weizenproteingehalte, sowie deren „genomische Selektion“ und Vorhersagbarkeit auf Backqualität, Backvolumina und Teigfestigkeit intensiv und ausführlich erörtert. Doch sind das die großen Probleme der Getreide- und Backzukunft? Aus dem Publikum widersprach ein Bäcker: „Das Backvolumen ist ein Kriterium, das eher in der Vergangenheit eine Rolle spielte.“ Viel wichtiger seien heutzutage andere Qualitäten, wie z.B. Reinheit und Ökologie, und natürlich sind Geschmack und Konsistenz wichtige Faktoren für den Kunden, doch der Geschmack ändert sich und die erweiterten Erwartungen, an das Produkt als Ganzes, tragen zu dieser Veränderung bei. Wie man außerdem noch erfahren konnte, bedeutet weniger Stickstoffdüngung zwar tendenziell etwas weniger Protein im Weizen, dafür aber auch einen höheren Kornertrag und trotzdem weniger Flächenbedarf! Da staunte der Laie und der Fachmann wunderte sich, denn diese verblüffenden Korrelationen scheinen zumindest Ersterem ein gewisses Potential zu signalisieren. Und auch folgende Aussage lässt aufhorchen: „Ohne Fungizide wird die Welt nicht untergehen“ – es ist nur wichtig die richtigen Standorte für das jeweilige Getreide zu berücksichtigen, wenn man Fungizide reduzieren will. Pestizidverbote scheinen jedoch tatsächlich Schweißperlen auf die Stirnen der Zunft zu treiben. Dass die Bio-Lebensmittelwirtschaft schon heute ganz gut ohne auskommt, scheint aber die „konventionelle“ Back- und Getreidewirtschaft bisher nicht von einer Zukunft zu überzeugen, die ohne solche Hilfsmittel auskommt. Die Wechselwirkungen zwischen Stickstoff, CO2, Hitzestress, Trockenheit und anderen Faktoren auf die Backqualität waren, wie gesagt, das vorherrschende Thema der Tagung.
Dr. Alexandra Hüsken vom Max Rubner-Institut in Detmold, zeigte aber auf, dass die Anpassungsmöglichkeiten, z.B. an den Klimawandel, vielfältig sind, um auch in Zukunft eine gute Backqualität zu gewährleisten.
Prof. Dr. Christian Zörb von der Universität Hohenheim, beklagte in diesem Zusammenhang allerdings den „Skandal“, dass die Forschung zu den Wechselwirkungen zwischen Stickstoff und CO2 in der Atmosphäre mittlerweile eingestellt wurde. Aber auch er konnte konstatieren: „Mehr Stickstoff bringt es gar nicht. Wir müssen in die andere Richtung denken.“
Markt und Trends
Unter der Rubrik „Markt und Trends“ wurde das Thema „Innovationen“ in den Focus gerückt, mit dem sich ganz explizit der impulsive und humorvolle Vortrag von Prof. Dr. Bastian Halecker auseinandersetzte. Als „leidenschaftlicher Startup-Unternehmer“ wies er darauf hin, dass der „Food-Sector“ bei Innovationen rückständig ist. „Wir haben zu viele Lösungen für zu wenig Probleme“. Immer neue Müsli-Riegel sind keine Innovation, wirkliche Transparenz (gläserne Backstube, Produktverfolgbarkeit etc.) und pflanzenbasiertes Fleisch schon.
Guillermo Lisi und Pilar Barceló aus Spanien stellten wiederum den Tritordeum Weizen vor und hatten zur Verkostung gebackenes Brot im Gepäck, das mit dieser erfolgreichen Kreuzung aus Hartweizen (Triticum durum) und Wildgerste (Hordeum chilense) gebacken wurde. Es enthält deutlich weniger Gluten als alle anderen Weizenarten, ist zudem trockenheitsresistent und gerade dabei, den europäischen Markt zu erobern. Tritordeum zeigt, wie wenig relevant Eiweißgehalte im Weizen sind, wenn das Produkt nach anderen Kriterien vermarktet und gekauft wird.
Unter der Frage „Gibt es einen Einfluss der Züchtung auf Weizen/Gluten-assozierte Erkrankungen?“ klärte Dr. Katharina Scherf über den Stand der Forschung im „Wheatscan-Projekt“ auf, das die populärsten Weizensorten jeder Dekade seit 1890 unter die Lupe nimmt. Eine endgültige Antwort auf die Frage ist aber zur Zeit noch nicht möglich, da weitere Arbeiten notwendig sind, um hier eine endgültige Aussage treffen zu können.
Nikolai Dubenets und Mariia Batashova gaben interessante Einblicke in die Weizenqualität der Ukrainischen Schwarzmeerregion. Auch hier ist der Klimawandel ein Problem, doch obwohl die Ukraine einerseits den niedrigsten Kunstdüngerverbrauch in Europa hat, liegt andererseits die Größe der Ökolandbaufläche dort mit ca. 1% weit unter der in Deutschland (ca. 8%).
Dr. Ibrahim Kazman von der Syngenta Seeds GmbH, sprang, mit einem über Nacht erarbeiteten Vortrag, für die erkrankte Dr. Alisa-Naomi Sieber von der Wheat-Initiative Berlin, ein. Er sprach die globale Situation des Weizens an, der einstmals das am meisten angebaute Getreide der Welt war. Heute steht er nur noch auf Platz drei, Tendenz fallend. Er beklagte die geringen Gewinnmöglichkeiten in der Weizenzuchtforschung: „Es wird mit Weizen viel zu wenig verdient, um Züchtungsfortschritt zu generieren.“
Zum Schluss berichtete Eduard Haidl von der GoodMills Deutschland GmbH in Jarmen von seinen Erfahrungen mit der Ernte 2018 und wagte einen Ausblick auf das Jahr 2019. Über das vergangene und kommende Jahr sagte er, dass die Ernten, z.B. beim Roggen, entgegen der Annahmen, von der Menge zwar zu gering, von der Qualität aber überraschend gut ausgefallen seien. „Wenn wir aber 2019 auch zu wenig Wasser haben, dann erleben wir ein Desaster.“
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