Mit allen Sinnen genießen – was wie eine Marketing-Floskel klingt, ist bei den Stollenprüfern des Schutzverbandes Dresdner Stollen e.V. Prüfungsrealität. Bei den für alle Hersteller des Dresdner Christstollens jährlich verpflichtenden sensorischen Stollenprüfungen werden die Traditionsgebäcke hinsichtlich der Qualitätsanforderungen des Stollenschutzverbandes begutachtet und bewertet. Erst dann erhält das Gebäck sein Qualitätszeichen, das goldene Siegel. Die Stollenprüfung ist eine Wissenschaft für sich: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen – unter Einbeziehung der Sinne werden die Striezel nach einem festgelegten Punktesystem bewertet. An insgesamt 18 Tagen und bereits seit Oktober prüft eine unabhängige Fachjury die Dresdner Stollen der rund 100 Hersteller. Insgesamt werden bis zum Ende der Prüfsaison 150 Stollen geprüft sein. Normalerweise geschieht das in Prüfungsatmosphäre hinter verschlossenen Türen.
Zum Wochenstart nahmen die Stollenprüfer des Schutzverbandes die Journalisten und Gäste im Kinder-Museum Dresden zwischen zahlreichen Experimentierstationen mit auf eine Reise durch die Welt der (Stollen-)Sinne mit Stopps auf den einzelnen Themeninseln. Vor den überdimensionalen Tastmodellen von Nase, Auge, Zunge oder Ohr erläuterten die geschulten Prüfer, unter welchem Gesichtspunkt die Sinne bei der Stollenprüfung eingesetzt werden.
Hohe Standards
Fakt ist: Damit ein Stollen als Dresdner Stollen den Prüfprozess überhaupt durchlaufen kann, muss er in Handarbeit in einer ganzjährig betriebenen Backstube in einem eng um die sächsische Landeshauptstadt definierten Umkreis hergestellt worden sein. Hinzu kommt die fest vorgeschriebene Zusammensetzung: Bezogen auf die Mehlmenge müssen mindestens 65% Rosinen, 50% Butter oder Butterfett, 20% Orangeat und Zitronat sowie 15% süße und bittere Mandeln enthalten sein. Die Verwendung von Margarine, künstlichen Aromen oder Konservierungsstoffen ist nicht erlaubt.
Zu Beginn einer jeden Prüfsaison muss auch die unabhängige Prüfjury, bestehend aus insgesamt 15 Stollenexpert/innen aus dem Bäckerhandwerk, der Qualitätssicherung im Lebensmittelbereich sowie der schulischen Ausbildung, ihr sensorisches Fachwissen unter Beweis stellen – und dafür verpflichtend eine in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden und der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks Sachsen speziell für den Dresdner Christstollen entwickelte Sensorik-Schulung inklusive Eignungsprüfung absolvieren.
Siegel garantieren Qualität
In den Stollenprüfungen selbst benoten die Prüferinnen und Prüfer schließlich vier Kriterien: innere und äußere Beschaffenheit, Geruch und Geschmack. Maximal fünf Punkte sind pro Kriterium möglich. Ein Stollen kann also auf maximal 20 Punkte kommen. Jeder der vier Prüfer gibt sein Fachurteil über eine speziell für den Stollenschutzverband entwickelte Software ab. Mindestens 16 Punkte sind Pflicht, soll der Stollen mit dem begehrten goldenen Siegel gekennzeichnet werden. Maximal zehn Stollen werden pro Durchgang geprüft. Aus welcher Backstube die Anwärter kommen, ist der Jury bis zum Ende einer jeden Prüfung nicht bekannt, schließlich soll sie unabhängig urteilen. Im Anschluss erhalten alle Betriebe ein detailliertes Gutachten.
Ralf Ullrich, Vorstandsmitglied des Schutzverbandes Dresdner Stollen e.V. und für die Stollenprüfungen verantwortlich, erklärt: „Die Stollenprüfungen nehmen im Rahmen unserer Verbandsaktivitäten eine bedeutende Rolle ein. Sie stellen sicher, dass das Qualitätsversprechen, welches wird jedem Kunden beim Erwerb eines Dresdner Christstollens geben, in puncto Geschmack und Güte erfüllt werden kann. Bei jeder Bewertung begeben wir uns auf eine immer neue Sinnesreise wie man sie auch im Kinder-Museum erfahren kann. Wir betrachten, schnuppern, fühlen und verkosten die Teststollen. Einzig für den Bereich des Hörens gibt es bei unserer klar vorgegebenen Prüfung keinen Bewertungsrahmen.“
Neben dem goldenen Stollensiegel tragen die echten Dresdner Stollen auch das blau-gelbe EU-Siegel. Dieses kennzeichnet Erzeugnisse und Lebensmittel, deren Herkunft eine direkte geografische Zuordnung erlauben oder fest einer Region zuzuordnen sind. Der Dresdner Christstollen zählt zu den Produkten mit geschützter geografischer Angabe. Er ist in das europäische Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben – das „EU-Qualitätsregister“ – eingetragen. Geführt und bewacht wird dieses durch die Europäische Union.