Ab dem 1. Juli 2024 gelten in der EU erstmals Höchstgehalte für T2HT2 in Hafer. Abgelöst werden damit die bisher geltenden Richtwerte. Die neuen Höchstgehalte treffen auf einen angespannten Hafermarkt: Schon unter besten Bedingungen sind nur 15% des in Europa geernteten Hafers schälmühlenfähig. „Mit der Einführung der strengen Höchstgehalte für T2HT2 werden die Hafermühlen die Versorgung der Bevölkerung in schlechten Erntejahren nicht sicherstellen können“, sagt Peter Haarbeck, Geschäftsführer des VGMS. Dabei appelliert er an Lebensmitteleinzelhandel wie Warentester, auf die pauschale Reduzierung der bereits sehr strengen gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalte zu verzichten: „Sekundärstandards sorgen nicht für sicherere Lebensmittel. Demgegenüber verunsichern sie die Verbraucherschaft, stellen die europäische Verbraucherschutzpolitik infrage, verschärfen die Versorgungslage und führen zu Lebensmittelverschwendung.“
Höchstgehalte versus Richtwerte
Die Mykotoxine T2 und HT2 werden primär vom Fusarium langsethiae, einem Feldpilz, gebildet, der das Getreide auf dem Acker befällt. Er kommt vor allem in Hafer vor. Für unverarbeitete Haferkörner im Spelz liegt der neue Höchstgehalt bei 1.250, für Hafermahlprodukte bei 100 μg/kg. Bisher gelten für T2HT2 Richtwerte, die für ungeschälten Hafer bei 1.000 und für Haferflocken bei 200 μg/kg liegen.
Getreide ist ein Naturprodukt. In schwierigen Erntejahren könnte es für die Landwirtschaft nicht einfach sein, die neuen Höchstgehalte einzuhalten. Mit einer sorgfältigen Rohwarenauswahl, einer optimierten Mühlenreinigung und ständigen Qualitätskontrollen tun die Hafermühlen laut VGMS alles, um für sichere Lebensmittel zu sorgen. Zu bedenken sei aber, dass das Angebot an schälmühlenfähigem Hafer weltweit überaus knapp ist: „Mit Blick auf die schwierige Versorgungslage hätten wir die Festlegung neuer Richtwerte auf dem Niveau der ab Juni geltenden Höchstgehalte für die nachhaltigere Lösung gehalten“, erklärt Peter Haarbeck. Mit Höchstgehalten werden, anders als mit Richtwerten, feste Grenzen für Kontaminanten definiert, die nicht überschritten werden dürfen. Kommt es zu Überschreitungen der Höchstgehalte in Rohstoffen oder daraus hergestellten Produkten, sind diese nicht mehr verkehrsfähig. Richtwerte hingegen lassen Behörden und Unternehmen Spielraum, um insbesondere auch in schwierigen Erntejahren die Versorgung der Bevölkerung mit Haferprodukten sicherzustellen.
Steigende Nachfrage & angespannter Markt
Hafer ist bei Verbrauchern weiterhin äußerst beliebt. Die deutschen Hafermühlen haben nach Angaben des VGMS im Jahr 2023 etwa 675.000 Tonnen Hafer verarbeitet. 2008 sind es noch weniger als 300.000 Tonnen gewesen. Im Gegensatz zur wachsenden Haferverarbeitung hat die Haferanbaufläche in Deutschland deutlich abgenommen. So ist die Anbaufläche im Jahr 2023 mit gut 140.000 Hektar im Vergleich zum Vorjahr um fast 12% kleiner ausgefallen. Selbst das fünfjährige Mittel der Jahre 2017 bis 2022 unterschreitet die Anbaufläche 2023 um rund 5%. Abgesehen von Baden-Württemberg mit einem Flächenzuwachs von 8%, sind die Anbauflächen in allen anderen Bundesländern zurückgegangen. Während im Jahr 2022 noch gut 750.000 Tonnen Hafer in Deutschland geerntet worden sind, waren es im Jahr 2023 nur noch knapp 470.000 Tonnen. Die deutlichsten Einbußen bei der Erntemenge im Vergleich zum Vorjahr melden Niedersachen und Schleswig-Holstein mit Rückgängen um 48 bzw. 43%. Diese Rückgänge seien vor allem den schwierigen Witterungsverhältnissen über die gesamte Vegetationsperiode hinweg, sowie den schwierigen Erntebedingungen geschuldet, erklärt der Verband.
Auch in anderen wichtigen Anbauländern sieht die Situation nicht gut aus: Finnland hat für 2023 eine um mindestens 14% niedrigere Anbaufläche als 2022 gemeldet, ähnlich sieht es in Schweden aus. In Kanada ist Hafer auf einer um 36% kleineren Fläche ausgesät worden, schlechte Witterungsverhältnisse und schwierige Erntebedingungen kommen auch dort hinzu. Der Internationale Getreiderat (IGC) schätzt die globale Haferernte im Jahr 2023/24 mit 19,7 um 5,7 Mio. Tonnen niedriger ein als im Vorjahr. Das wäre das kleinste Haferaufkommen seit über zehn Jahren. Die Versorgung mit mühlenfähigem Hafer ist somit auch international angespannt.