Auch wenn der Kampf um den Europameistertitel erst begonnen hat – beim Blick auf die Brot- und Backwaren-Aufstellungen der 16 teilnehmenden Nationen steht bereits fest: Keine Nation läuft ins Abseits. Die iba hat das Leistungspotential der vier Gruppen analysiert und stellt die Backwaren der einzelnen Teilnehmerländer vor. Fest steht: Ohne Handspielwären die vorgestellten Spezialitäten nicht in dieser fantastischen Verfassung. Doch welches Brot wirkt wie ein Volleyschuss in das lange Eck des Magens? Welches Feine Gebäck sorgt für den Lupfer am Mittag? Wer wird letztlich „Meister der Herzen“? Fragen, die spätestens auf der iba, der Weltleitmesse für Bäcker und Konditoren – sie findet mit über 1.100 Ausstellern vom 16. bis 21. September 2012 auf 18 Fußballfeldern (132.000 qm Hallenfläche) in München statt – beantwortet sind.
Gruppe A
Polen: Das Gastgeberland uüberzeugt mit dem hochgeschossenen, filigranen, wohl proportionierten Sękacz – ein Kuchen wie ein Baum. Von den Ringen des „Königs der Kuchen“ sollte sich niemand täuschen lassen – die Kuchenmasse ist austrainiert bis ins letzte Gramm. Über die Geschichte der Fußball-Europameisterschaft kann diese süße Spezialität nur müde lächeln. Als 1960 die erste EM stattfand, war der polnische Baumkuchen bereits seit dem 16. Jahrhundert fester Bestandteil der Konditorenzunft.
Griechenland: Kompakt, kernig, kräftig – Chorgiatiko, Kalabopopsomo, Tiropsomo und Skordopsmo sind die vier Brot-Hünen aus Hellas. Diese Vierer-Abwehrkette aus Dorf-, Mais-, Käse- und Knoblauchbrot mit der speziellen Duftnote lehrt jede gegnerische Offensive das Fürchten. Also die klassischen Ausputzer vor dem Sechzehner.
Russland: Russland vertraut einem Kasten von Roggenbrot. Borodinskij Chleb ist so etwas wie der laibgewordene „Knipser“ mit Korianderwürzung. Der Name des Brotes geht auf die Schlacht von Borodino 1812 zurück, als die russischen Truppen der Armee von Napoleon gegenüberstanden – irgendwie passend zum diesjährigen Motto der Fußball-EM „Creating History Together“. Gut nur, dass zweihundert Jahre später es frühestens im Halbfinale zu einem russischfranzösischen Aufeinandertreffen kommen kann.
Tschechien: Das Runde muss bekanntlich ins Eckige. Und wenn der runde, dünne Kuchen Valašske frgály den Ofen verlässt, hat der perfekte Joker für die Nachspielzeit das Licht der Welt erblickt. Der Kuchen-Star aus Mähren ist mittlerweile ein Legionär in vielen europäischen Backstuben, der die Fanherzen im Sturm eroberte. Die unterschiedlichen Kuchenfüllungen aus Mohn, Quark oder Birnen –
ein klassischer Zutatenhattrick – zeigen müden Männerbeinen die gelbe Karte. Und wer weiß, vielleicht macht das Gebäck seinem alten Namen „Schaufelkuchen“ alle Ehre – wenn Valašske frgály den Siegtreffer erzielt.
Gruppe B
Niederlande: Den Spielern aus den Niederlanden klebt der Ball am Fuss wie der Sirup an der Stroopwafel. Die zwei runden knusprigen Waffeln werden durch eine Sirupfüllung aus Karamell eng zusammengehalten. Um die beiden Waffelhälften voneinander zu trennen, werden sie häufig vor dem Verzehr auf eine Tasse heißen Tee oder Kaffee gelegt. Vielleicht ist das auch das Geheimrezept: ins
Schwitzen bringen und die ganze Taktik zerbricht in zwei Teile.
Dänemark: Danish Dynamite – eine wahre Bombe für den Adonis-Six-Pack. In der Kalorienliste sind diese dänischen Plunder aus süßem Germteig mit Topfen-Füllung jetzt schon Schützenkönig. Da die „Kolatschen“ durch Österreicher nach Dänemark gebracht wurde, heißen sie bis heute Wienerbrod. So ist Österreich wenigstens auch ein bisschen bei der EM dabei.
Portugal: In der Anfangsformation von Portugal steht ein wahrer Geheimtipp: Pastel de Nata. Die kleinen Blätterteigtörtchen sind blitzschnelle Konter für jeden Diätplan. Denn mit ihrer cremigen Puddingfüllung sind sie süß, lecker und einfach zum Anbeißen.
Deutschland: Als Rekordmeister im Bereich Brot- und Backwaren geht Deutschland ins Rennen und überzeugt durch große Vielfalt. Neben den süßen Kuchen und Torten gehören zu den heimischen Spezialitäten auch kraftvolle Mehrkornbrote und energiegeladene Kaisersemmeln. Die knusprigen Brezen aus Bayern haben in den Herzen der Zuschauer längst den ersten Platz erobert. Einziger kleiner Nachteil: Sie können am Einfachsten getunnelt werden.
Gruppe C
Italien: Die Italiener können mehr als Catenaccio. Was das Backen angeht, ist ihre Ciabatta weltberühmt, wobei auch dessen Kruste zunächst einmal geknackt werden muss. Dabei ist die Brotspezialität aus Weizenmehl, Salz, Hefe, Wasser und Olivenöl eigentlich noch gar nicht alt. Entwickelt und vermarktet wurde die Ciabatta, die übersetzt Pantoffel heißt, erst im Jahr 1982 – immerhin in dem Jahr, in dem Italien zum dritten Mal Fußballweltmeister wurde.
Irland: Traditionell, einfach, bodenständig. Nicht nur fußballerisch bietet die grüne Insel gerne Hausmannskost. Dafür ist das typische irische Soda Bread, das aus Mehl, Salz, Buttermilch und Backpulver hergestellt wird, schnell und einfach zubereitet – so wie das irische „Kick and Rush“.
Spanien: Ähnlich süß wie die jüngsten Erfolge des amtierenden Welt- und Europameisters ist eines seiner bekanntesten Gebäckspezialitäten: die Ensaimada. Hefe, Zucker, Mehl, Milch, Salz, Olivenöl, Eier und zerlassenes Schweineschmalz werden zu einer dünnen Teigschlange verarbeitet und dann zusammengerollt. So kann einem beim genaueren Betrachten der Enseimada fast schwindlig werden – wie den Gegnern der spanischen Elf.
Kroatien: Die Kroaten lieben Fußball – und sie lieben Brot. Ob morgens, mittags oder abends, es ist immer die richtige Gelegenheit für kruh (sprich: Kruch) – Brot. Vom hellen Kukuruzni kruh aus Maismehl bis zum dunkleren Raženi kruh aus Roggen schickt Kroatien ein buntes Team aufs Feld. Kein Wunder, dass in den vergangenen Jahren der Backsektor in Kroatien stark an Bedeutung gewonnen
hat – und es wird spannend, ob das auch dem kroatischen Fußballteam gelingt.
Gruppe D
Frankreich: Das Baguette ist die Kerze im Tableau der Brot- und Backwarenaufstellungen. Es ist der 12. Mann der Haute Cuisine. Denn in der Grande Nation werden in jeder Sekunde 320 Baguettes produziert, die traditionell aus Weizenmehl, Wasser, Hefe und Salz hergestellt werden. Es gibt sogar einen Wettbewerb der Pariser Bäcker-Innung, der das beste Pariser Baguette jährlich auszeichnet. Der prämierte Bäcker darf dann ein Jahr lang den Elysée-Palast beliefern.
England: Football is coming home – auf die Insel kehrt der Fußball jedoch meistens mit leeren Händen heim. Gott sei Dank gibt es da noch den 5 o´clock tea. Dieser ist besser als jedes Elfmeterschießen, weil man hieran weniger zu knabbern hat. Denn die zur britischen Tea Time servierten, leckeren Scones überleben selten den Anpfiff. Das ofenfrische Kleingebäck wird halbiert und mit Clotted cream (einem buttrigen Streichrahm) und Erdbeerkonfitüre bestrichen.
Schweden: Die beste Abwehrmauer besteht aus Roggenvollkornmehl, Wasser und Salz. Richtig, die Rede ist vom Knäckebrot. Hiervon essen die Schweden durchschnittlich vier Kilogramm pro Kopf und Jahr. Sie sagen, dass Knäckebrote eine Sonntags- und Alltagsseite haben: Die Oberseite, angesichts
der vielen Löcher auf der Seite einem Rasenschach ähnelnd, sei die Sonntagsseite, weil man viel mehr Butter als für die glatte Unterseite brauche – ideal für jedes Sonntagsspiel.
Ukraine: Die Ukraine gehört zu den größten Kornkammern Europas. Sogar die Farbe Gelb der Nationalflagge symbolisiert reife Kornfelder, die die ukrainische Landschaft prägen. Paska zum Beispiel ist ein Brot, das die Ukrainer traditionell für das Osterfest backen. Bei dieser süßen Backware, geschmückt mit Rosen und Kreuzen, weiß man: Es gibt auch einen Kuchengott.