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Roland Ermer aus Sachsen (l.) kämpft in Bautzen zum zweiten Mal um das Direktmandat; Roland Schüren trat 2017 in Bündnis 90/Die Grünen in Nordrhein-Westfalen ein und bewirbt sich zum ersten Mal für das Bundestagsmandat. (Fotos: Roland Ermer, Martin Steffen)
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Zwei sind bereit für die große Bühne

Handwerker im Bundestag? Eine Rarität! Doch nun machen sich mit Roland Ermer (CDU) und Roland Schüren (Bündnis 90/Die Grünen) gleich zwei namhafte Bäckermeister auf, erstmals ins Parla­ment einzuziehen. Im Gespräch mit dem BÄKO-magazin wird deutlich: Bei zahlreichen Themen gibt es einen parteienübergreifenden Konsens.

Und sollten Sie nicht gewählt werden…
Ermer:
…dann ist das für mich persönlich nicht schlimm: Ich gehe dann wieder in die Backstube und lebe mein – schönes – Leben, was für mich ganz und gar keine Strafe ist. Mir tut dann nur mein Wahlkreis leid, denn es ist für uns eine Katastrophe, wenn ein direkt gewählter Abgeordneter vier Jahre lang gar nichts macht und nur bei Demonstrationen mit der Ordnerbinde und plakativen Aktionen auffällt oder im Bundestag erklärt, er hoffe, dass „alle ihre gerechte Strafe kriegen“. Um das künftig zu verhindern, hat mich mein Kreisvorstand einstimmig vorgeschlagen.
Herr Schüren, Sie treten erstmals zur Wahl an, doch weder Listenplatz 32 noch die Direktwahl im Kreis Mettmann Süd sind dafür eine Garantie. Planen Sie, in jedem Fall dauerhaft politisch „am Ball zu bleiben“?
Schüren:
Klar, aber ich bin davon überzeugt, dass es in diesem Jahr klappen wird. Es ist zwar mein erster Wahlkampf, aber ich würde es nicht machen, wenn ich nicht Ziele erreichen wollte. Und es wäre zwar schön, wenn man alle Ziele innerhalb von vier Jahren erreichen könnte, doch ich fürchte, das gelingt nicht.
Wenn Sie in der kommenden Legislaturperiode ein Ziel erreichen, ein Lieblingsprojekt umsetzen könnten – welches wäre dies?
Ermer:
Der Strukturwandel nach 1990 war in der Rückschau eine Katastrophe, die sich nicht wiederholen darf. Wir haben eine ganze Generation junger Leute an den Westen verloren. Für uns in der Lausitz und im Landkreis ist es daher das Allerwichtigste, den erneuten Strukturwandel in den nächsten Jahren erfolgreich hinzubekommen. Und ich bin ganz sicher, dass das geht.
Schüren: Das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schafft man nicht in einer Legislaturperiode, aber die Regeln dahingehend zu optimieren, dass es erreichbar wird, ist schon ein Hauptimpuls. Übrigens sehe ich eine Gemeinsamkeit in dem Thema „Strukturwandel“, denn wir haben in NRW mit „Garzweiler II“ auch ein Braunkohleabbaugebiet. Ich war neulich vor Ort und glaube, dass sich diese Probleme hier wie dort schneller lösen lassen, als es im Kohlekompromiss ausgehandelt wurde (2038 – Die Red.), weil es wirtschaftlich funktioniert und sich diese Regionen mit anderen Regeln, auch in puncto Arbeitsplätze, positiv entwickeln werden. Unternehmen wie RWE steuern gerade um, und auch Gerichtsurteile, wie aktuell gegen Shell, machen hier echt Hoffnung. Das Enddatum für den Abbau ist gar nicht so wichtig, aber es war wichtig, dass eines definiert wurde.
Ermer: Von der Sache her gebe ich Ihnen Recht, aber leider gibt es bei uns andere Voraussetzungen. Den Braunkohleabbau erfolgt hier durch einen tschechischen Konzern (EPH-Gruppe – Die Red.), er verbrennt die Braunkohle im eigenen Land – und die Klimazertifikate werden europaweit gehandelt. Das hilft weder uns noch der Umwelt. Wir haben hier im Osten keinen einzigen Konzernsitz – und Abschmelzung erfolgt zumeist nicht an den Hauptstandorten. Der Wandel ist wichtig und richtig – aber mit Augenmaß! Wir brauchen daher – je schneller, desto besser – eine Strukturpolitik, die es für Unternehmen und Forschungseinrichtungen attraktiv macht, sich hier anzusiedeln. Und wir wissen alle, wie lange Planung in Deutschland braucht – 2038, das ist übermorgen!
Schüren: Einverstanden. Bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Ansiedlung von Start-ups, von neuen Technologien – da sind wir ganz schnell beieinander. Und auch der Fachkräftemangel verbindet uns – denn den gibt es inzwischen überall. Mittlerweile haben wir sogar einen Arbeitskräftemangel. Das Teamwork zwischen Chef und Mitarbeitern an einem Arbeitstisch, das wir im Handwerk haben; das Verständnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin; die Tatsache, dass wir eben nicht CEOs als Konzernangestellte sind: Das treibt mich auch um, und hier sind wir uns, denke ich, 100%ig einig, dass es ein positiveres Bild von kleinen oder mittelständischen Unternehmern braucht, damit das Gegeneinander und die Egoismen in der Politik zurückgedrängt werden.
Ermer: Jörg Dittrich (Dachdecker und Handwerkskammerpräsident in Dresden – Die Red.) hat mir einmal gesagt: „Du hast als Bäcker einen Riesenvorteil. Du kannst drei Perspektiven einnehmen, weil Du alle kennst: Du bist Unternehmer, Du hast mit Deinen Mitarbeitern ein Verhältnis wie in einer Familie und Du hast viel Kontakt mit den Kunden. Das haben viele andere nicht!“ Diesen gesellschaftsoffenen und ideologiefreien Blick, den möchte ich einbringen!

Das Gespräch führte BM-Chefredakteur Falk Steins.

Zur Person: Roland Ermer

  • Bäckerei Ermer, 02994 Bernstorf, 3 Filialen, 30 Mitarbeiter/innen
  • Jahrgang: 1964
  • Landesverband: CDU Sachsen
  • Wahlkreis: Bautzen I (156)
  • Präsenz im Netz: www.baecker-ermer.de, www.roland-ermer.de
  • Werdegang: Bäckermeister, 1988 Übernahme des Familienunternehmens, 1989 Obermeister im Kreis Hoyerswerda, 2011 Landesobermeister Saxonia & Handwerkstagspräsident von Sachsen, 2015 Aufsichtsratsvorsitzender BÄKO Ost

Zur Person: Roland Schüren

  • Ihr Bäcker Schüren, 40724 Hilden, 20 Filialen (& 12 Wiederverkäufer), 250 Mitarbeiter/innen
  • Jahrgang: 1966
  • Landesverband: Die Grünen NRW
  • Wahlkreis: Mettmann I (104)
  • Präsenz im Netz: www.ihr-bäcker-schüren.de, www.gruene-kreis-mettmann.de
  • Werdegang: Bäckermeister & Dipl.-Betriebswirt, 1991 Eintritt ins Familienunternehmen (Übernahme 1998), seit 2019 GF Seed & Greet GmbH & Ladepark Kreuz Hilden GmbH & Co. KG, Vorstandsmitglied Grüner Wirtschaftsdialog e.V.
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