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Forschung zu den Potenzialen von Farbweizen für die Brotherstellung: Prof. Dr. Mario Jekle, Christian Böck, Prof. Dr. Friedrich Longin, Jana Kant und Heiner Beck (v.l.) traten zum Backmarathon an.
© Universität Hohenheim/Hannah Moormann
BÄKO-magazin Titelausgabe 7_25
Branche aktuell

Backmarathon mit Farbweizen

Als Brotgetreide ist Farbweizen in Deutschland bisher kaum etabliert. Dass sich damit schmackhafte Brote herstellen lassen, zeigte ein zweitägiger Backmarathon mit Forschenden der Universität Hohenheim in Stuttgart und dem Bäckereibetrieb BeckaBeck in Römerstein.

Weißer und purpurner Weizen sind zwar weniger ertragreich als herkömmliche Weizensorten, könnten jedoch eine Ernährung mit Vollkorn attraktiver machen, sagen Forschende der Uni Hohenheim; z.B., weil sie hellere Backwaren liefern, weniger nach Vollkorn schmecken oder gängige Weizensorten durch ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen überbieten. Nun haben die Sorten auch den Praxistest bestanden. Anfang Mai wurde in der Backstube des BeckaBeck in Römerstein gemahlen, geknetet und gebacken – alles im Dienst der Wissenschaft. Insgesamt 75 Vollkorn-Testbrote aus 25 verschiedenen Weizensorten stellten die beiden Bäckermeister Heiner Beck und Christian Böck her.

 

Umfangreiche Forschung im Vorfeld

Die im Backmarathon verwendeten sechs weißen, acht roten und zehn purpurnen Weizensorten sowie eine Gelbweizensorte akquirierte Prof. Dr. Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim im In- und Ausland. Es folgten mehrere Jahre Saatgut-Vermehrungen, in denen die am besten angepassten Sorten für Deutschland ausgewählt wurden. Anschließend startete die größere Feldstudie mit der Aussaat im Oktober 2022: „Während Europa vor allem auf den roten Weizen setzt, ist weißer Weizen für die Gebäckherstellung populär in den USA, Australien und Neuseeland“, sagt der Weizen-Experte. Auch purpurne Weizensorten seien hierzulande nur schwer zu finden. Er und sein Kollege Prof. Dr. Mario Jekle, Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel, haben die Weizensorten zuvor in umfassenden Feld- und Laboranalysen untersucht. „Weiße und purpurne Weizensorten schnitten im Feld überraschend gut ab“, erklärt Prof. Dr. Longin. „Und wir denken, dass weiße und purpurne Weizen einiges zu einer gesunden Ernährung mit Brot beitragen können.“

 

Farbweizen im Praxistest

Im Praxisbackversuch wollten die Forschenden nun testen, ob die Farbweizen-Sorten auch qualitativ und geschmacklich mit dem in Deutschland gängigen roten Weizen mithalten können. Mit Ausnahme der Mehlsorte wurde für alle Testbrote dasselbe Rezept verwendet. Auch die Ruhezeiten sowie die Backtemperatur waren bei allen Broten identisch. Lediglich die Knetzeiten und Wassermengen passten die Bäckermeister den jeweiligen Eigenschaften der unterschiedlichen Mehle an. Eine professionelle Aroma- und Geschmacksbeurteilung der Brote durch die vier Experten fand am folgenden Tag statt.

Einige wenige Schwächen zeigten sich bei den bisher kaum etablierten farbigen Weizensorten im Praxisbackversuch. Deutliche Unterschiede fielen den beiden Bäckermeistern zwischen den purpurnen und weißen Weizensorten auf: „Das Backvolumen einiger purpurfarbener Sorten kann mit rotem Weizen gut mithalten. Viele klassische Gebäcke lassen sich sicherlich problemlos damit herstellen“, mutmaßt Heiner Beck. Der weiße Weizen zeigte hingegen eine wesentlich schlechtere Teigstabilität. „Die Herstellung von Toastbroten oder Schnittbrötchen könnte damit zur Herausforderung werden“, sagt Christian Böck. Die Testbrote aus weißem Weizen konnten dennoch überzeugen. „Handwerker/innen könnten durch den Einsatz von Sauer- oder Vorteigen, angepasster Knetung oder Backformen die Teigstabilität verbessern – ähnlich wie bei Dinkel oder Emmer“, ergänzt Beck.

 

Vollkornbrote attraktiver machen

Das Ziel der beiden Hohenheimer Wissenschaftler ist es, den Verzehr von ernährungsphysiologisch vorteilhaftem Vollkorn attraktiver machen – durch Brot aus farbigem Weizen. Denn Weizen, erläutert Prof. Dr. Jekle nach der Verkostung beim Pressegespräch in Römerstein, sei essenziell für eine ausgewogene Ernährung: „Weizen liefert weltweit gesehen etwa 20% unseres täglichen Energiebedarfs. In manchen Ländern liefern allein Weizenbrote 20% der täglichen Ballaststoffe und Proteine. Manche Annahmen gehen sogar von höheren Werten aus.“ Die wertvollen Inhaltsstoffe seien aber vor allem in den Randschichten der Körner vorhanden, erklärt der Wissenschaftler. „Sie kommen somit hauptsächlich in Vollkornprodukten vor, sodass sich die Versorgung durch mehr Vollkorn verbessern ließe.“

Trotz dieser Eigenschaften sei der Konsum von Vollkornbackwaren in Deutschland aber immer noch sehr gering, berichtet Heiner Beck, Inhaber des Bäckereibetriebs BeckaBeck: „Aktuell beträgt der Anteil von Vollkorn im Brotmarkt nur etwa 11% – Tendenz sinkend.“ Ein Phänomen, das er selbst auch im Verkauf beobachte: „Für einen Großteil der Verbraucher/innen muss Brot soft und hell sein. Vielen ist Vollkorn einfach zu herb.“ Abhilfe für dieses Problem sieht Christian Böck bei der Aroma- und Qualitätsanalyse der Testbrote unter anderem in der Optik der Brote aus weißen Weizen: „Je heller das Korn, desto heller ist auch die Brotkrume“, erläutert der Bäckermeister. „Weiße Weizensorten liefern deshalb ein deutlich helleres und somit für viele Menschen ansprechenderes Vollkornbrot als die gängigen roten Weizensorten.“

 

Weizensorten mit Mehrwert

Die weißen Weizensorten überzeugen nicht nur durch einen deutlich milderen Geschmack als die Vollkornbrote aus normalem Weizen. Sie punkten auch in Laboranalysen: „Unsere Laboruntersuchungen konnten zeigen, dass weiße Weizensorten ein ähnlich gutes Nährstoffspektrum wie der in Deutschland gängige rote Weizen aufweisen“, führt Jana Kant, Doktorandin am Fachgebiet Pflanzliche Lebensmittel, aus.

Purpurfarbener Weizen liefert dunklere Brote als gängiger roter Weizen. In den Aroma- und Geschmacksanalysen wiesen die Brote zudem einen intensiven schokoladig-nussigen Geschmack auf. Vor allem punkten Purpur-Weizensorten jedoch aus ernährungsphysiologischer Sicht: Sie weisen einen hohen Gehalt an gesunden Pflanzenstoffen auf, sogenannten Anthocyanen, die für eine dunkel purpurne Färbung der Weizenkörner sorgen und zum Beispiel auch in roten und blauen Früchten vorkommen. „Studien weisen darauf hin, dass Anthocyane zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen minimieren und die Zellgesundheit verbessern können“, sagt Prof. Dr. Jekle. „In unseren Laboranalysen konnten wir feststellen, dass die Brote aus purpurnem Weizen in etwa neunmal so viele Anthocyane enthalten wie Brote aus rotem Weizen.“ Allerdings: Auch die Anthocyane seien lediglich in den äußeren Randschichten der Körner vorhanden, führt Jana Kant aus: „Das spricht dafür, auch bei der Verarbeitung von purpurnem Weizen auf Vollkorn zu setzen“, ergänzt die Wissenschaftlerin.

 

Schon im Feldversuch überraschten weiße und purpurne Weizensorten

Um zu testen, wie weiße und purpurne Weizensorten auf deutschen Feldern gedeihen, arbeitete Prof. Dr. Longin vorab mit fünf Pflanzenzuchtbetrieben in ganz Deutschland zusammen. So konnte das Getreide unter den Bedingungen von konventioneller sowie ökologischer Landwirtschaft und an verschiedenen Anbauorten getestet werden. Das Ergebnis des Feldversuchs: Die Ernteerträge fielen im Vergleich zu den roten Weizensorten geringer aus. „Im Durchschnitt lieferten die weißen Weizensorten rund 10% weniger Ertrag als roter Weizen. Bei purpurnen Weizensorten waren es knapp 15% weniger.“ Bedeutende Nachteile ließen sich jedoch nicht erkennen. Im Gegenteil: „Weiße und purpurne Weizensorten waren auf einem agronomisch besseren Niveau als alternative Weizenarten wie Emmer und Einkorn – und erwiesen sich als erstaunlich resistent gegenüber Krankheiten.“

 

Potenzial für neue Vielfalt im Brotregal

Das Fazit der Fachleute aus Wissenschaft und Handwerk: „Unsere Feld-, Labor- und Backversuche zeigen, dass weiße und purpurne Weizensorten dazu beitragen könnten, mehr Menschen für Vollkornbackwaren zu begeistern und eine gesunde Ernährung mit Brot zu fördern“, fasst Prof. Dr. Friedrich Longin zusammen. Die Hohenheimer Studie und der begleitende verbundene Backmarathon seien ein Startpunkt: „Während jährlich Millionenbeträge in die Züchtung roter Weizensorten fließen, braucht es für weiße und purpurfarbene Sorten eine stärkere Vernetzung, innovative Ideen und mehr Forschung entlang der Wertschöpfungskette“, sagt Prof. Dr. Jekle. „Nur so können sie künftig ihren Weg in die Backstuben finden.“

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