Das technische Potenzial entwickelt sich im digitalen Zeitalter in einer atemberaubenden Geschwindigkeit weiter, was die Produktzyklen sukzessive verkürzt – da kommt der jährliche BÄKO Technik- und Innovationstag sehr gelegen, um einige derrelevantesten Trends für die Backbranche zu studieren und einzuordnen. Erneut hatten sich Anfang Mai rund 80 Teilnehmer aus der veranstaltenden BÄKO-ZENTRALE, den BÄKO-Regionalgenossenschaften und zahlreichen Partnerunternehmen dazu in Berlin eingefunden.
Möglichkeiten nutzen
Geschäftsführer Jean-Pierre Nachtsheim und Tobias Buschmann, Abteilungsleiter Maschinen & Geräte der BÄKO-ZENTRALE, die mit ihrem Team das Event moderierten, machten in ihrer Einführung deutlich, was die Veränderungsgeschwindigkeit in Verbindung mit der Personalsituation im Bäckerhandwerk mit sich bringt: „Es wird alles automatisiert werden, was automatisiert werden kann. Und nur Unternehmen, die innovativ am Markt sind, können am technologischen Fortschritt teilnehmen.“ Dazu müssten Barrieren abgebaut sowie Veränderungen zugelassen werden.
Stichwort „Innovation“: Es gelte, so Buschmann, vorurteilsfrei die Möglichkeiten zu nutzen, die die Digitalisierung bietet. Die Fachabteilung hat dafür z.B. mit der BÄKO-Technik-App eine fundierte Grundlage geschaffen, die von mehr als 30.000 Branchenteilnehmern bereits aktiv genutzt wird. BÄKO-AutoPOS ist ein weiteres Beispiel und hinzu kommt die
Zusammenarbeit mit innovativen Partnern wie etwa Winnovation in Sachen Automatisierung.
Eiskalt innovativ
Ein weiterer solcher Partner ist Gram Professional. Mit dem dänischen Unternehmen, das seit 2023 wieder konzernbefreit agiert, arbeitet die BÄKO schon seit Jahrzehnten erfolgreich zusammen. Neueste Frucht dieser engen Kooperation sind die Einfahr-Kälteschränke, die als „signifikante Weiterentwicklung“ neue Maßstäbe in Sachen Kälteleistung und Energieeinsparung setzen. Wie Ole Brandorff-Lund, CEO & Verkaufsleiter Gastro, und Thomas Gruschinski, Verkaufsleiter Deutschland, in Berlin erläuterten, arbeitet das Unternehmen seit über 20 Jahren als Vorreiter der Kältezunft mit natürlichen Kältemitteln. Weitere Kernelemente einer nachhaltigen Unternehmensführung sind die besonders flexible Fertigung, kurze Lieferketten und eine verlässliche Logistik. „Wir und Sie liefern nicht nur Produkte, sondern Lösungen“, rief Ole Brandorff-Lund den versammelten BÄKO-Technikexperten zu. Darum hat sich Gram einen ausgezeichneten After Sales Service auf die Fahnen geschrieben, lange Garantielaufzeiten und Ersatzteilverfügbarkeit. Die bei den neuen BÄKO-line-Einfahr-Kälteschränken erstmals eingebauten Innovationen, das „Superior“-Kühlsystem und die „Silent“-Technologie, weisen in eine nachhaltig verstandene technologische Zukunft.
Innovativer Schnitt
Viel Neues zu berichten hatten auch Geschäftsführer Thorsten Müller und Verkaufsleiter Tobias Werder von MHS Schneidetechnik. Die Schwaben, ein typischer „Hidden Champion“ aus Absttatt mit weltweitem Geschäft, aber klarem Fokus auf den Hauptmarkt Deutschland, haben in jüngsten Jahren kräftig investiert in neue Produktionsräume und -verfahren (inklusive eigener Messerfertigung), aber auch in den Kundenservice. Innerhalb der breiten Produktpalette befruchten sich die unterschiedlichen Bereiche gegenseitig; so profitiert der Bereich Bäckerei z.B. von den hohen Hygiene- und Sicherheitsanforderungen der Fleischerei, wobei die Sicherheit durch das GS-Siegel der Berufsgenossenschaft (BGN) attestiert wird. Automatisierung, Hochgeschwindigkeit und Schneiden nach Gewicht lauten hier weitere Trendfaktoren. Besonders zukunftsweisend und stetig weiterentwickelt wird „MHS connect“ als Medium zur Vernetzung aller Filialen miteinander mit unterschiedlichen Benutzerebenen, das u.a. eine zeitnahe Störungskontrolle und Wartung ermöglicht. Die Topmodelle von MHS für Bäckereien wie das Tischmodell „MHS ideal“ und das Flaggschiff „MHS premium“ wurden gründlich überarbeitet und bieten nun noch ausgefeiltere Reinigungs- und Schneideoptionen sowie eine intuitive Bedienung. MHS ist seit 30 Jahren eng mit der BÄKO zusammen und produziert ebenfalls BÄKO-line-Modelle.
Damit‘s beim Kaffee läuft
„Erst“ 21 Jahre alt ist die Zusammenarbeit von BÄKO, MEISTER KAFFEE und WMF, aber der Erfolg des B–M–W-Konzepts ist mit 8.500 Installationen immens, wie Matthias Dürr, Key Account Manager bei WMF, demonstrierte. Das zur Groupe SEB gehörende Traditionsunternehmen beobachtet die Markttrends genau und investiert gezielt im In- und Ausland. Was aber sind die Maschinenanforderungen aus Röstersicht? Geschäftsführer Dietmar Rabenstein von MEISTER KAFFEE fokussierte auf die Umsetzung von Milchalternativen sowie neuen Getränken, technischen Service und automatische Warenversorgung, aber auch neue digitale Möglichkeiten zur Minimierung von Ausfallzeiten und für Verbrauchsanalysen. Wie diese aussehen können und was der Bäcker
davon hat, erläuterte WMF-Key Account Manager Oliver Rosanowski. Das telemetrische System „WMF Coffee Connect“ ermöglicht filialgenau Erkenntnisse darüber, ob eine Maschine in Betrieb ist, was der Grund für einen etwaigen Stillstand ist (selten technisch, zumeist „menschlich“) und welche offenen Ausgaben anstehen. Zudem kann man überprüfen, welche Kaffeegetränke in welcher Größe und Menge zu exakt welcher Zeit verkauft wurden und seine Verkaufsförderungs- und Marketinginitiativen genau darauf abstellen. Sogar über die Qualität des ausgeschenkten Kaffees lässt sich über die dokumentierten Extraktionszeiten Aufschluss gewinnen.
Den Bäcker entlasten
Inhaber Norbert Kövy informierte beim Technik- und Innovationstag über die neuesten Entwicklungen im Dortmunder Familienunternehmen, das vor allem für seine bundesweit fast 1.000 installierten Brötchenanlagen bekannt ist. Hier gehen die Bestrebungen derzeit vor allem in die Richtung, Prozesse für Handwerksbäcker passgenau zu automatisieren, z.B. mit kompakten Dielenentstaplungs- und -zuführanlagen. Praktische Ergänzungen in der Anlagenkonfiguration können vollautomatische Bestreuungs- und Befeuchtungsanlagen, Direktbelegung und Stüpfelanlagen (auch zum Einsatz direkt auf dem Förderband) sein. Ebenfalls verfügbar sind von Kövy Kuchenschneidemaschinen sowie innovative, textilfreie Gärgutträger, die als Besonderheit Lüftungslöcher in den Böden und an den Seiten aufweisen und dadurch die Prozesse optimieren. Alles dient dem Ziel, Arbeitsschritte zu erleichtern und Personalmangel auszugleichen. „Unser Hauptprodukt ist jedoch: Service“, unterstrich Norbert Kövy mit Blick auf die 365/24-Erreichbarkeit.
Kövy-Vertriebsleiter Frédéric Guerber stellte den Teilnehmern dann eine mit Spannung erwartete Neuheit vor, die Kövy in enger Kooperation mit der bakeXperts AG produziert und vertreibt. Der „UDO II“ versteht sich als der erste Vakuum-Ladenbackofen und liegt bislang in Ausführungen für sechs und 15 Bleche vor; weitere Varianten werden folgen. Das patentierte Verfahren verspricht mehr Flexibilität bei geringerem Energieverbrauch und längere Haltbarkeit und Frische sowie gesündere Backwaren (durch kürzere Backprozesse und schnellere Abkühlung), daneben gleichmäßige Backergebnisse und Gebäcke mit mehr Volumen – zu erleben auf der iba und bei der 40-Jahr-Feier von Kövy im Herbst (16.–17.09.) in Dortmund, die unter dem Motto „Brötchenliebe trifft neue Ernte“ stattfindet.
Vorträge mit Erlebnischarakter
Natürlich ging es auch bei diesem Innovationstag der BÄKO nicht allein um die Innensicht der Backbranche, sondern auch um globale Einflüsse, neue Entwicklungen in der Wirtschaft und nicht zuletzt um den Menschen.
Wie es um das globale Klima bestellt ist, verdeutlichte eindrucksvoll der renommierte Forscher Prof. Mojib Latif. Er beklagt die gegenwärtige Wissenschaftsfeindlichkeit bei vielen Menschen, die folgende Fakten einfach nicht wahr haben wollen: Der Klimawandel ist real, gefährlich und vom Menschen verursacht – darin seien sich alle seriösen Fachleute einig. Die gute Nachricht: Wir können noch etwas tun, denn: „Wir haben die Energie, die Technologie und das Geld.“ Das Klimaproblem sei im Wesentlichen ein Energieproblem, daher gelte es nun, schnellstmöglich erneuerbare Energien zu forcieren. Allerdings werden die Anstrengungen nur von Erfolg gekrönt sein, wenn sich alle Staaten daran beteiligen.
Einen anderen Ansatz für mehr Nachhaltigkeit verkörpert Kilian Kaminski als einer der Gründer des Unternehmnes refurbed. Dieser Online-Marktplatz hat es sich zum Ziel gesetzt, durch die Vermittlung von rundumerneuerten („engl.: „refurbished“) Elektronikprodukten und Maschinen die Kreislaufwirtschaft zu fördern, um so deren Lebenszyklen zu verlängern und Abhängigkeiten von meist internationalen Supply Chains zu verringern. Ziel sei es, einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten und gleichzeitig ein gutes Geschäft zu machen („Profit plus Impact“).
Wie der Mensch mit der Informationsüberflutung im digitalen Zeitalter und vor allem den auf ihn einprasselnden Negativschlagzeilen fertig werden kann, vermittelte humorvoll und fundiert der Neurowissenschaftler und Buchautor Prof. Volker Busch als Dinner Speaker am ersten Tagungstag. Er stellte dar, wie das Gehirn Informationen verarbeitet und warum „Filter“ so wichtig sind, um Stress und Depression zu vermeiden. Mut und Zuversicht, so Busch, entstehen wiederum bei jenen, die Krisen als Herausforderung begreifen und im Tun glücklich werden. Dazu brauche es weder übertriebenen Optimismus noch Pessimismus: „Wir sind dann besonders gut, wenn wir in Möglichkeiten denken“, brach der Wissenschaftler eine Lanze für eine Kultur des „Possibilismus“, also die Kunst, günstige Gelegenheiten beim Schopf zu ergreifen.
Diese Chance dürften einmal mehr auch alle genutzt haben, die zum BÄKO-Technik- und Innovationstag nach Berlin gekommen waren, denn sie wurden nicht nur mit reichen Einsichten belohnt: „Diese Veranstaltung lebt vom Netzwerken“, brachte es Tobias Buschmann auf den Punkt.